Essen. . Essens Kämmerer Klieve legt für 2017 einen Haushalt im Lot auf – und warnt davor, das Erreichte zu verspielen. OB Kufen nennt Arbeitsschwerpunkte.
- Kämmerer verkündet: Drei-Milliarden-Haushalt macht 2017 sogar ein kleines Plus
- Etat kommt dank Mittel aus Stärkungspakt ohne weiteren Dreh an Steuerschraube aus
- Klieve mahnt aber: Auch künftig müsse Essen auf jeden Euro schauen
Das alte Schätzken aus dem Museums-Depot von Zollverein hat Lars Martin Klieve persönlich abgeholt. Er mag es manchmal ein bisschen pathetisch und wollte diese historische Stunde im Rat zelebrieren: Zwei Schläge auf der Bergbauglocke, bevor er ans Rednerpult schreitet, das Signal für die Aufwärtsfahrt mit dem Förderkorb, und ein Satz wie aus einem Kumpel-Roman: „Auch die Stadt Essen erreicht heute wieder das Licht, nach langer Schicht im finsteren Schacht.“
Ein Drei-Milliarden-Euro-Etat, der – zumindest rechnerisch – 2017 ein Plus von 8,7 Millionen Euro ausweist: der erste Etat-Ausgleich seit einem Vierteljahrhundert, just 30 Jahre, nachdem die Stadt das erste von zahllosen Sparkonzepten zimmerte. Da soll man nicht nostalgisch werden?
Klieve erinnerte am Mittwoch an die Defizite vergangener Zeiten, an den Tiefpunkt 2009 mit einer befürchteten Etatlücke von über 400 Millionen Euro, an den schmerzhaften Sparkurs mit 690 gestrichenen Stellen in der Stadtverwaltung, mit gestutzten Sachkosten auf breiter Front und zwei Erhöhungen der Grundsteuer.
Der jetzt vorgelegte Etat kommt dank üppig fließender Mittel aus dem Stärkungspakt, von Land und Bund ohne einen weiteren Dreh an der Steuerschraube aus. Ja er macht sogar stattliche Investitionen möglich: 212 Millionen Euro für Schulen, 215 Millionen für Straßen, 45 Millionen für Brücken: Endlich einmal gelinge es, nicht nur den Substanzverzehr in der Infrastruktur aufzufangen, sondern darüber hinaus manchen Nachholbedarf zu bedienen: „Investitionen in unsere Zukunft“, sagt Klieve.
Immer größere Probleme am Kreditmarkt
Und doch, auch künftig wird Essen nach seiner Überzeugung auf den Euro schauen müssen. Denn die Stadt schultert, um flüssig zu bleiben, so viele Liquiditätskredite wie sonst keine Stadt in Deutschland, das Risiko steigender Zinsen hängt wie ein Damoklesschwert über allem: „Es muss uns gelingen, mindestens in dem Umfang Schulden zu tilgen, wie die Zinsen wieder ansteigen werden“, mahnt der Kämmerer, der seinen Erfolg von der CDU stark und von der SPD nur mäßig beklatscht sieht: Die Städte, vor allem aber die städtischen Unternehmen, hätten immer größere Probleme am Kreditmarkt, „wir tun also gut daran, unser Haus wetterfest zu machen“.
Dabei droht der Stadt noch manches schwere Wetter, wie Oberbürgermeister Thomas Kufen am Mittwoch betonte: Er sieht die gewaltigen Aufgaben, vor allem bei der Integration der Flüchtlinge. Und er sieht im Mix aus Armut und Benachteiligung in Sachen Bildung, durch fehlende Integration und die hohe Langzeitarbeitslosigkeit auch „den sozialen Frieden in unserer Stadt gefährdet“: Hüben gegensteuern und drüben in Neues investieren, das ist der Spagat, den er in den kommenden Jahren angehen will.
Vor allem die Stadtverwaltung sieht er „für die Zukunft noch nicht gut genug gerüstet“, es soll Neueinstellungen geben, wenn auch nicht in jenem Umfang, den der Personalrat anmahnt. Dazu nennt der OB Schwerpunkte seiner Arbeit: mehr Integration und eine gestraffte Landschaft an städtischen Beteiligungen, mehr Existenzgründer, ein besseres Baustellen-Management und mehr Ordnung und Sauberkeit.
Bei alledem, so machte Kufen am Mittwoch deutlich, wird es keine echte Abkehr vom Sparkurs geben: „Ein ausgeglichener Haushalt heißt nicht, Essen ist schuldenfrei.“
Auch Kämmerer Klieve sieht sich in der Zwickmühle, einerseits den Etatausgleich zu feiern, andererseits vor Übermut zu warnen: „Wer denkt, wenn das wieder geht, dann geht auch alles, der irrt und würde unversehens wieder unsanft in der Handlungsunfähigkeit landen.“ 25 Jahre Defizit und zweieinhalb Milliarden Euro Kassenkredite seien Mahnung genug, so Klieve. Immerhin der Super-GAU blieb auch dank eines historisch niedrigen Zinsniveaus aus: „Wir sind noch mal davon gekommen.“
Dass es so bleibt, dafür soll der Abbau von Kassenkrediten in einer Größenordnung von immerhin 300 Millionen Euro beitragen. Auf Stärkungspakt-Mittel kann Essen nur noch bedingt setzen: 2017 fließt noch ein letztes Mal die volle Summe von 90 Millionen Euro, danach wird die Quelle schrittweise zurückgefahren, bis sie 2020 endgültig versiegt.
Man werde also aufpassen müssen, dass es nicht wieder zurück in den finsteren Etat-Schacht geht. Drei Schläge an Klieves Glocke bedeuten: Hängen im Schacht.
Der Etat in Zahlen
Den Einnahmen von 2,96 Milliarden Euro stehen im kommenden Jahr Ausgaben von 2,95 Milliarden gegenüber. Unterm Strich bleibt ein Plus von 8,7 Millionen Euro, 2018 sogar 36,8 Millionen.
Die Steuersätze bleiben zumindest für 2017 unverändert: Der Hebesatz für die Grundsteuer B liegt bei 670, für die Gewerbesteuer bei 480 Prozent. Beschlossen wird der Etat im November.