Essen. . In der Bewerbung der Stadt als Grüne Hauptstadt waren Essens Laubenpieper nicht mehr als eine Fußnote. Im Programm soll sich das nun ändern .
- In Essens Bewerbung als Grüne Hauptstadt waren Laubenpieper nicht mehr als eine Fußnote
- Stadtverband sagt über „Urban Gardening“: „Das machen wir schon seit 100 Jahren“
- Offizielles Hauptstadt-Programm wird Laubenpieper jetzt berücksichtigen
„Wir halten Essen Grün“ steht auf der Kaffeetasse von Holger Lemke geschrieben, womit das Selbstverständnis der hiesigen Kleingärtner treffend beschrieben wäre. Immerhin pflegen 9000 Laubenpieper zwischen Karnap und Kettwig ihre Schollen. Umso unverständlicher war für den Vorsitzenden des Stadtverbandes, dass die Kleingärtner bislang öffentlich so gar keine Rolle spielten, wenn von Essen als Grüner Hauptstadt 2017 die Rede war.
Im üppigen Bewerbungsschreiben, das die Stadt bei der EU in Brüssel eingereicht hatte, konnte der Stadtverbandsvorsitzende jedenfalls nicht viel mehr finden als eine Fußnote. „Wir hatten den Eindruck, die Stadt hat uns vergessen.“ Den Kaffee hatte Lemke auf.
Teil der Grünen Hauptstadt
Inzwischen haben sich die Kleingärtner in einem persönlichen Gespräch bei Oberbürgermeister Thomas Kufen in Erinnerung gebracht. Nun sind sie 2017 dabei, ganz offiziell. Hinter den Gartenzäunen laufen die Vorbereitungen längst heiß. So viel will Lemke schon verraten: In Steele planen sie eine „grüne Tafel“ in Anlehnung an das Stillleben auf der A 40 zum Kulturhauptstadtjahr. Am Niederfeldsee in Altendorf werden Kleingärtner ihre Parzellen und Kleintierzüchter ihre Zuchterfolge präsentieren. Bei diversen Radrundfahrten werden Kleingartenanlagen zu Erfrischungsstationen. Dies alles und noch mehr soll sich im offiziellen Programm wiederfinden.
„Auch wir sind Teil der Grünen Hauptstadt“, betont Lemke, der sich darin mit den Verantwortlichen für das Projekt einig weiß. Bei der Grünen Hauptstadt gehe es nicht nur um den Wandel einer ehemaligen Industriestadt, sondern um Lebensqualität, sagt Ralph Kindel vom Organisationsbüro pflichtschuldig.
Warum nicht gleich so? Vielleicht passte das angestaubte Image der Kleingartenvereine mit ihren Gartenzwergen und den akkurat geschnittenen Hecken nicht so recht zum Bild einer Grünen Hauptstadt, die interessant, modern und irgendwie cool rüberkommen will. Er könne da nur mutmaßen, sagt Lemke, der sich darüber wundert, dass im Zusammenhang mit 2017 viel über urban gardening gesprochen wird, vom Gärtnern in der Großstadt also. „Wir machen das seit 100 Jahren.“ Essens ältester Kleingartenverein an der Kuhlhoffstraße in Altenessen wurde 1892 gegründet.
Heimisches Gemüse im Trend
Den Trend, wonach Verbraucher auf heimische Produkte vertrauen, spürten auch die Kleingartenvereine. Immer mehr Pächter nutzten ihre Parzelle, um Gemüse anzubauen. Und das gelte längst nicht nur für Migrantenfamilien, die inzwischen 30 Prozent der Neupächter ausmachten, berichtet Lemke.
So wollen die Kleingärtner 2017 auch nutzen, um Werbung in eigener Sache zu machen. Dabei geht es ihnen nicht nur um den dicksten Kürbis oder um die prachtvollsten Blüten. Seit Anfang der 1990er Jahre haben zahlreiche Laubenpieper ihre Schollen räumen müssen. Damals bestellten Essens Laubenpieper noch insgesamt 360 Hektar Grund und Boden. Heute sind es noch 314 Hektar. Das trug dem Bevölkerungsrückgang Rechnung und entsprach dem Zeitgeist. Mittlerweile führen Kleingartenvereine wieder Wartelisten, die Bevölkerungszahl wächst entgegen allen Erwartungen.
Das Feld nicht einfach räumen
Die Stadt aber benötigt Freiflächen für den Wohnungsbau und für die Ansiedlung von Unternehmen. Da liege es nahe, dass die Planer ein Auge auf Schrebergärten werfen. So einfach wollen die Laubenpieper das Feld nicht räumen. Lemke ist sich sicher: Nach 2017 dürfte es schwieriger werden, Kleingärten zu verdrängen.