Essen. Hans-Jürgen Mangartz hat intensiv erlebt, wie die Emschergenossenschaft unter seinem Kleingarten in Borbeck einen neuen Kanal verlegte. Bald führt der Bach neben seiner Anlage nur noch reines Wasser

Es liegt mehr als zwei Jahre zurück, als im Kleingarten von Hans-Jürgen Mangartz die Gartenzwerge zitterten. Wer seit 30 Jahren ein und dieselbe Scholle bewirtschaftet, merkt rasch, wenn plötzlich was nicht stimmt. Schnell war klar: Fünf Meter unter ihm arbeitete gerade ein Bohrkopf. Die Emschergenossenschaft gräbt seit Jahren ein neues Kanalsystem für Schmutzwasser, Loren und Waggons transportierten Kubikmeterweise Abraum an die Oberfläche. Und nun waren sie bei ihm angekommen. Der Kleingärtner aus Borbeck war dann mal unten auf der Baustelle und hat sich alles angeschaut.

Eigentlich durfte er dort nicht sein. „Da habe ich mit den Bauarbeitern einen kleinen Deal ausgemacht“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Mangartz steht auf einem rost-braunen Deckel. Die Stelle liegt von seinem Garten aus gesehen ein paar hundert Meter bachaufwärts – dort, wo der Schotterweg von einer Straße unterbrochen wird. Der Weg trennt die Kleingartenanlage vom Borbecker Mühlenbach.

Aus „Köttelbecken“ im Revier werden Reinwasserbäche

Wo heute dieser Schachtdeckel ist, war der Einstieg zu einem 500 Meter langen Tunnel unterhalb der Kleingärten, wo drei Meter breite Rohre verlegt wurden, die das Abwasser aufnehmen werden. Früher wurde das gesamte Schmutzwasser aus den umliegenden Wohngebieten direkt in den Bach geleitet. Seit Anfang der 1990er Jahre arbeitet die Emschergenossenschaft nun schon daran, die „Köttelbecken“ im Revier zu Reinwasserbächen umzubauen.

Es ist klar, dass Mangartz das freut. Zum Verein KGV Essen-Borbeck, dem er vorsteht, gehören sechs Kleingartenanlagen, darunter zwei direkt am Mühlenbach: Mühlenaue I und II. Dort hat auch der Vorsitzende selbst seine Parzelle. Irgendwann wird er also einen sauberen Bach als Nachbar haben. Im Jahr 2020, sagt die Emschergenossenschaft sollen die Nebenflüsse der Emscher nur noch Regenwasser führen. Ob es tatsächlich schon in vier Jahren soweit ist, da ist der 64-jährige aber noch skeptisch.

So ein Projekt braucht seine Zeit, und es kann ja immer was dazwischenkommen. Der Mann mit dem festen Händedruck kommt im breiten Ruhrdeutsch ins Plaudern: Bevor sich die Maschine unter seinem Garten durchgearbeitet hat, gab es Sondierungsbohrungen. Die Experten hatten sich auch alte Luftbilder angesehen. Und siehe da: Mitten in der Kleingartenanlage fand sich ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg. Mangartz steht auf seiner satt grünen Wiese. Da lag sie - in 4,5 Metern Tiefe. Ein Schatten der Vergangenheit. Für die Schäden, die durch die Entschärfung entstanden, wurde er sogar entschädigt.

Auch andere Schäden sind theoretisch möglich. Mangartz zückt sein Handy, Google Earth gibt Aufschluss: Einige hundert Metern den Bach abwärts gibt’s ein Auffangbecken, verdeckt von Bäumen und Büschen – „für den Fall, dass der Mühlenbach einmal zu viel Wasser führt“, erläutert er. Passiert ist das noch nie. Aber wer weiß...

„Wir sind glücklich, wenn das mit dem Gestank mal aufhört“

Der Vorsitzende läuft den Schotterweg entlang. „Hallo“, ruft er einem Pächter zu, bevor er das Gartentor aufschließt. „Man kennt nicht alle mit Namen“, sagt er, bei 250 Parzellen wäre das auch schwierig. Mangartz ist offen für Neue, Herkunft und Hautfarbe seien ihm egal: „Meine Nachbarn sind aus Kasachstan“, sagt er, und fügt hinzu, jeder dritte Parzellenbesitzer habe in seinem Verein Migrationshintergrund.

Sein eigener Kleingarten ist eine Mischung aus Nutz- und Ziergarten. Am Eingang ist ein Grünkohlbeet ohne Unkraut, weiter hinten ein Teich mit Brücke und roten Pflastersteinen, auf denen auch ein bisschen Moos wachsen darf. „Es muss nicht steril sein“, merkt der Hobbygärtner an.

Mangartz ehemaliger Arbeitsplatz war übrigens nicht weit von seiner Parzelle entfernt, an der Helenenstraße. Vor einem Jahr ist er in Rente gegangen. Über 48 Jahre hat er als Maschinenbauer gearbeitet, angefangen bei Krupp, dann hat er mehrere Übernahmen erlebt: „Und dann ist auch mal gut“, sagt er.

Schnell noch die Fische füttern. Dann geht’s nach Hause. Noch läuft ein Teil der Abwässer in den Mühlenbach. So riecht es in der einen Minute mehr nach Fäkalien, in der nächsten mehr nach Waschmittel. „Wir sind glücklich, wenn das mit dem Gestank mal aufhört.“

Stipendiaten der Adenauer-Stiftung schreiben über Essen

Dieser Artikel ist Teil der Reihe „Essen im Wandel – ein Blick von außen“. Sie wird von Stipendiaten der Konrad-Adenauer-Stiftung gemeinsam mit der Essener Lokalredaktion gestaltet. Elf junge Journalisten, die aus ganz Deutschland kommen und bereits erste Berufserfahrungen gesammelt haben, verfassen in den nächsten Tagen und Wochen Berichte und Reportagen über Themen aus unserer Stadt. Die Redaktion wünscht viel Spaß beim Lesen!