Essen. Der Essener Betriebsrat der Kennametal Widia hadert mit der Personalpolitik des Unternehmens. Erst werden Azubis gesucht, dann die Einstellung wieder komplett gestoppt. „Das ist verantwortungslos, ein Skandal“, so der Betriebsrat. Das Unternehmen beschwichtigt.

Montag, 14 Uhr vor dem Betriebstor bei Kennametal Widia an der Harkortstraße: Es ist Schichtwechsel beim Werkzeughersteller und der Ort der Pressekonferenz ist durchaus symbolisch gewählt. In der Firma reibt man sich schon seit einigen Wochen am Thema Ausbildung. Nun aber trat der Betriebsrat vor die Tür, um den „Skandal“, wie er sagt, öffentlich zu machen.

„Im Herbst hat man uns zehn Auszubildende in Aussicht gestellt. Vor etwa einer Woche teilte uns die Geschäftsleitung mit, dass dieses Jahr gar nicht ausgebildet wird“, schimpft Betriebsratsvorsitzender Wolfgang Freye. Es sei verantwortungslos, wenn sich das Unternehmen dieses Jahr aus der Ausbildung verabschiede. Auch die IG Metall appelliert angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit und fehlender Ausbildungsplätze an die gesellschaftspolitische Pflicht. Kennametal Widia ist einer der größten Produktionsbetriebe in der Stadt. „Die Zurückhaltung ist in keiner Weise nachvollziehbar“, sagt Gewerkschaftssekretär Alfons Rüther.

Sorge um die Zukunft

Der Betriebsrat sorgt sich vor allem um die Zukunftsfähigkeit des Werkes mit seinen 550 Beschäftigten. Es zeichne sich durch hohes Spezialistentum aus. Doch bis 2020 würden allein 66 Mitarbeiter altersbedingt ausscheiden. „Das reißt eine problematische Lücke“, so Freye, die auf dem Rücken der verbleibenden Belegschaft ausgetragen würde. Nach Aussagen des Betriebsrates sei das Unternehmen gut ausgelastet, kein Grund also, die Ausbildung auszusetzen.

Ursprünglich hatte das Unternehmen signalisiert, die zehn Azubis in der Tat zu brauchen. Die Lehrstellen waren auch ausgeschrieben worden. 360 Bewerber gab es. Auch eine Vorauswahl fand bereits statt. „Seit Monaten aber vertröstet man die jungen Menschen“, so Freye. Selbst wenn das Unternehmen die Entscheidung noch mal überdenken würde, befürchtet er, dass sich gerade die guten Bewerber bereits anderweitig umgesehen haben.

Essener Unternehmen mit Tradition

Kennametal Widia fertigt in Essen Hartmetallschneidplatten, die unter anderem in Fräsen oder Bohrwerken eingesetzt werden.

Der Betrieb ist ein ehemaliges Krupp-Unternehmen, dass in der 1990er Jahren verkauft wurde. Seit 2003 ist Kennametal mit Sitz in den USA der Eigentümer.

Unter dem Namen Widia („Wie Diamant“) entwickelte Krupp 1927 diesen extrem harten Verbundwerkstoff.

Was den Betriebsrat stutzig macht: In allen Werken von Kennametal Widia werde dieses Jahr ausgebildet, nur in Essen nicht. „Da ist doch was im Busch“, argwöhnt ein Mitarbeiter.

Eine Unternehmenssprecherin bestätigte, dass die Ausbildung in Essen aller Voraussicht nach ausgesetzt wird. Es liefen zwar noch Gespräche auf Leitungsebene, aber die Signale gingen in diese Richtung. Die Ausbildung richte sich am Bedarf aus, „und wir wollen den älteren Azubis einen festen Arbeitsplatz anbieten“. Kennametal Widia wolle sich aber nicht gänzlich aus der Ausbildung in Essen verabschieden. Es gehe nur um ein Jahr. Warum aber zunächst ein Bewerbungsverfahren eingeleitet wurde, um es dann wieder abzublasen, dazu konnte sie nichts sagen. Intern soll die Geschäftsleitung hohe Kosten am Standort Essen genannt haben.