Essen. . Nach den Missbrauchsfällen im Essener Grugabad verlangen Gäste mehr Sicherheit. An heißen Tagen ist es morgens idyllisch, nachmittags wird’s kritisch.

Dienstagmittag im Grugabad. Luft 24 Grad, Wasser 25. Petra Jüssen aus Bergerhausen zieht im großen, fast leeren Sportbecken ihre Bahnen. „Heute mache ich nur eine Stunde“, sagt die 47-Jährige. Und lacht: „Das Grugabad ist das beste Bad, das ich kenne. Ich bin hier seit mehr als 30 Jahren Stammgast.“

Nebenan am Sprungturm dreht ein Kameramann von RTL, vormittags war ein WDR-Team da, weitere Privatsender haben sich angesagt. Sie interessiert jetzt nur die hässliche Seite des Bades. Anlass ist der mutmaßliche sexuelle Missbrauch von drei Mädchen durch drei Flüchtlinge am letzten Wochenende. Ein schockierendes Ereignis, ein kleines Köln, das Essen überregional in die Negativschlagzeilen und das Grugabad schon wieder arg in Verruf bringen wird.

Unruhiges bis krawalliges Nachmittagspublikum

„Keine Frau, kein Mädchen darf sexuell belästigt werden“, schimpft Lydia Oumelaz aus Altendorf. Sie fordert: „Gegen die Bösewichte muss härter durchgegriffen werden.“ Margarete Kowolik, gebürtig aus Schlesien, arbeitet als Erzieherin und geht einmal wöchentlich mit psychisch-erkrankten Menschen schwimmen. „Es ist egal aus welchem Land man kommt, so etwas gehört sich nicht“, sagt sie. Seien die festgenommenen Männer schuldig, müssten sie bestraft werden. In Deutschland dürfe es für solche Vergehen keinen Freifahrtschein geben. „In ihren Heimatländern ist es ja auch verboten.“

Nach den Silvester-Übergriffen von Köln grassierte im Frühjahr bei den Bäderbetrieben landauf landab eine fiebrige Angst vor übergriffigen Flüchtlingen. Doch erfreulicherweise sollte es in den Essener Bädern Monate lang ruhig bleiben – natürlich auch wegen des geringen Besucherandrangs. Doch letzte Woche riss die Wolkendecke auf, die Sonne knallte mit 35 Grad und im Grugabad löste fortan das unruhige bis krawallige Nachmittagspublikum die friedlich pflegeleichte Vormittagskundschaft ab – am letzten Wochenende schließlich mit verheerenden Folgen.

Die schwarzgekleideten Securitymänner von „M-Sec“ wirken im Grugabad wie Fremdkörper. Doch ohne sie stünden die Schwimmmeister auf verlorenem Posten. Die Bäderbetriebe machen kein Hehl daraus, dass die Personaldecke in den Frei- und Hallenbädern sehr angespannt ist.

Stammgäste loben das Bad-Team

Aber Süheyla Aydin, die angehende Krankenschwester, findet: „Das Grugabad ist verpflichtet, genügend Personal zu stellen zum Schutz der Badegäste, insbesondere der Frauen.“ Nun, den Personalschlüssel in den Bädern gibt aber die Stadt vor, doch die ist hoch verschuldet. Ein Manko, das sich im Grugabad besonders an kritischen Tagen rächt. In der Schwimmmeister-Branche gilt der Job im Grugabad als einer der schwierigsten und anspruchsvollsten weit und breit. Ein Job, um den sich niemand reißt. Umso mehr fällt auf, wie Stammgäste das Team um Badleiter Georg Schwiderski loben. Als „sehr engagiert und freundlich“ wird die Crew beschrieben. An diesem Dienstagmorgen, nach dem verheerenden Presseecho, scheint es, als seien alle mühsam erzielten Erfolge mit einem Schlag zunichte gemacht worden.

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Die überschaubare Zahl von Randalierern und Grapschern beschädigt den Ruf des gesamten Bades nachhaltig. Die Sprachtherapeutin Nicole Busch lebt schon seit zehn Jahren in Rüttenscheid. „Aber im Grugabad war ich noch nie, ich fahre lieber nach Ratingen“, sagt sie. Ihre Tochter Annika ist erst acht, aber schon jetzt steht für die Mutter fest: „Ich würde sie niemals allein ins Grugabad lassen.“

Bei Facebook wettern zahlreiche Nutzer gegen übergriffige Flüchtlinge. „Inakzeptabel“ findet das auch Ute Vogelsang, eine junge Mutter von fünf kleinen Kindern. Doch sie erinnert sich an ihre Jugend und sagt: „Früher erzählte man sich auch schon, dass Mädchen ins Gebüsch gezogen wurden.“ Junge Frauen und Mädchen, rät sie, sollten unbedingt sichere Stellen im Bad suchen, wo schnell Hilfe zugegen sei.

Nur wenige Frauen weigern sich, in das laute Klagelied gegen die Zuwanderer miteinzustimmen. „Ich glaube nicht, dass das speziell ein Problem von Flüchtlingen ist“, findet Süheyla Aydin. Und die Choreografin Jelena Ivanovic, eine von zwei Direktorinnen des Tanzfestivals „638 Kilo“, sagt: „Ich habe mehr Angst vor betrunkenen Hooligans am Essener Hauptbahnhof als vor dem Grugabad.“