Essen. . Beim Tag der Trinkhallen in Essen haben elf Essener Büdchen ein eigenes Kulturprogramm auf die Bühne gestellt – und zahlreiche „Budisten“ angelockt.

  • 1. Tag der Trinkhallen war gelungene kulturhauptstädtische Nachfolge-Aktion
  • Elf Buden in Essen boten Lesungen, afrikanische Tänze und Live-Musik
  • „Ich bin überwältigt von dem, was ich da draußen sehen“, sagte Kiosk-Besitzerin Jessica Kowalke

Stell dir vor, es ist Büdenchentag und auf dem Bürgersteig singen einfach alle gemeinsam „Imagine“. Und dann natürlich noch „Trink doch ene met“. Das ist zwar die kölsche Version, aber die Einladung hat am Wochenende auch im Ruhrgebiet jeder verstanden: Einfach mal vorbeischauen, stehenbleiben und auf ein Bier oder zwei ins Gespräch kommen, mitsingen und zuschauen.

Mit dem „1. Tag der Trinkhallen“ feierte der Veranstalter Ruhr Tourismus am Samstag eine wahrlich kulturhauptstädtische Nachfolge-Aktion. Lustig, lässig und mit vielen abwechslungsreichen Aktionen. Elf Essener Büdchen hatten ein eigenes Kulturpogramm auf die Beine gestellt, mit DJ und Street-Art, Lesungen und Kabarett, Live-Musik und Gesängen wie im „Hexenstübchen“ im Walpurgistal.

Kultur im Stehen, Vorbeigehen und zum Platz nehmen

Es gab Kultur im Stehen, Vorbeigehen und zum Platznehmen auf pinken Papphockern, die als Erkennungszeichen überall anzutreffen waren wie die pinken Ballons. Aber eigentlich konnte man jede Bude, die sich am Trinkhallen-Tag beteiligte, schon von weitem erkennen. An den Menschentrauben, die sich manchmal bedenklich weit auf die Fahrbahn drängten. Vor „Stephans Bude“ an der Rüttenscheider Straße beispielsweise war zeitweise kein Durchkommen, wenn die Tänzer und Trommler der „Otumfuo Band“ ihre westafrikanischen Akrobatikeinlagen wagten.

So ein Kiosk ist eben längst nicht mehr der Inbegriff von Pils-Palavern und Klümpkes-Kleinklein. Keiner weiß das besser als Heinz Heuer, der sich in seinem Kiosk an der Bredeneyer Straße rühmt, schon manche Prominenz begrüßt zu haben. Die Liste der internationalen Medien, die er morgens für die Stammkunden bereitlegt, ist beachtlich. Und nach 13 Uhr kommen die Schulkinder. „Die dürfen mich duzen. Aber dann kommen Sie hier kaum mehr zur Kasse.“ Reger Andrang herrschte auch am Samstag. „Leute aus Bonn, Köln, sogar ein Damenclub aus dem Münsterland sind gekommen“, freut sich Heuer über den Erfolg.

„Der Kontakt zu den Leuten ist einfach toll“

Manchmal wurden da sogar die Verkehrsinseln zu Zuschauertribühnen, wie bei „Mampf-Fred“ in Haarzopf. „Ich bin überwältigt von dem, was ich da draußen sehen“, staunt Jessica Kowalke, die seit fünf Jahren die Trinkhalle ihres Vaters weiterführt. Der übernahm 1995 den Kiosk-Standort mit 100-jähriger Geschichte. Als die Bretterbude im Jahr 2000 abbrannte, erkämpfte sich der leidenschaftliche Kiosk-Betreiber die Rückkehr mit einem Container. Auch Tochter Jessica teilt nach anfänglichen Bedenken inzwischen die Leidenschaft für den Job. „Der Kontakt zu den Leuten ist einfach toll. Hier sind schon Freundschaften, sogar Partnerschaften entstanden.“

Dass der Kiosk immer noch ein großartiger Ort der Kommunikation ist, findet auch Alexander Maus, der gleich noch bunte Tüten für Freunde in Hamburg und Stuttgart ordert. Denn wie sehr man die Bude vermisst, wenn sie nicht mehr zum Stadtbild gehört, das weiß Uwe Gentler aus Berlin. „Budist“ zu sein, diese Bekenntnis. heftete er sich ans Revers wie andere. Neben den Buttons waren auch Sticker fürs Kiosk-Sammelheft gefragt. „Das ist nach Pokémon die schönste Art, auf die Straße zu kommen“, lacht Alexander Maus.