Essen-Rellinghausen/Ruhrhalbinsel. . Damit der Abschnitt rund um den Rellinghauser Bereich wieder zur richtigen Auenlandschaft wird, rücken ab September die Bagger zum Kahlschlag an.

Manchmal tut Naturschutz weh. Zu dieser Erkenntnis werden die Spaziergänger kommen, die regelmäßig die Trampelpfade der Heisinger Ruhr­aue auf Rellinghauser Gebiet rund um das Vereinsheim der Kanuabteilung vom Post- und Telekom Sportverein Essen an der Wuppertaler Straße 129a nutzen. Voraussichtlich im Herbst starten die Arbeiten zur wohl größten Naturschutz-Maßnahme dieser Stadt in den kommenden Jahren. Und dazu ist zunächst ein Kahlschlag nötig.

„Es wird ein Schrecken, der kein Schrecken ist“, kommentiert Klaus Franzke, Mitarbeiter von Grün und Gruga, und schaut ins Rund. Hier, im nördlichen Abschnitt der Heisinger Ruhraue, die genau genommen insgesamt von der Rellinghauser Konrad-Adenauer-Brücke bis zur Kupferdreher Kampmannbrücke verläuft, sieht es eigentlich noch recht natürlich aus. Hinter dem Gebäude des Sportvereins erstreckt sich eine Wiese, dahinter und daneben stehen Bäume relativ dicht an dicht, ein paar Meter weiter nördlich dümpelt ein kleiner Teich im Dornröschenschlaf vor sich hin.

Zustande der Heisinger Ruhraue wird immer schlechter

Dass Wildwuchs nicht immer Naturschutz bedeutet, das wird in diesem Naturschutzgebiet deutlich. Joachim Schmitting ist als Mitarbeiter der Unteren Landschaftsbehörde der Stadt für die Pflege und Entwicklung zuständig und wird voraussichtlich bis Sommer 2018 mit Franzke und seinen Kollegen in der Ruhraue Hand in Hand arbeiten müssen. Schmitting weist auf das „Natura 2000“-Netzwerk hin, das gemäß europaweiter Normen natürliche Lebensräume sichern soll und an der sich die Städte mit Pflege- und Entwicklungsplänen orientieren müssen: „In Sachen Stillgewässer und Hartholz- sowie Weichholzauenwald ist das Gebiet in mittlerem bis schlechtem Erhaltungszustand“, ordnet er ein.

Und der Zustand wird immer schlechter. Schuld ist der fünf bis zehn Meter breite alte Damm auf dem Plangebiet, der früher als Zubringer zur Fähre von Rellinghausen nach Überruhr fungierte und durch seine Höhe die „Aue“ vom Fluss abschneidet – genauer gesagt von den regelmäßigen Überflutungen, die ein Gebiet erst zur Aue machen. „In spätestens zehn Jahren wird das Stillgewässer verschwunden sein, viel ist schon jetzt nicht mehr übrig. Und auf den Landflächen wollen wir eine richtige Auenlandschaft mit Silberweiden- und Stieleichen-Ulmenwald entwickeln“, kündigt Schmitting an.

Dazu muss der Damm weg, mitsamt der gar nicht wenigen Bäume und Büsche, die sich darauf entwickelt haben. „Wir können einige sehr alte Bäume stehen lassen und werden den Damm an einigen Abschnitten so belassen“, kündigt Schmitting an. Doch beim Rest wird zunächst gefällt und gewühlt. Der Teich wird ausgebaggert und sich in den kommenden Jahren selbst erholen. Große Teile des Damms werden abgetragen und auch die Wiese des Vereins um einen Meter abgesenkt. Die Sportler wissen bereits Bescheid. Klaus Franzke kündigt an: „Wenn sich in rund fünf Jahren wieder eine richtige Auenlandschaft entwickelt hat, dann erkennt man das Gebiet nicht mehr wieder.“ Doch vorher kommt leider noch der Schrecken.

Pflegeentwicklungsplan wirkte sich auf Entscheidung zur Grünen Hauptstadt aus

Wie wird man Grüne Hauptstadt Europas? Auch, indem man sich Bestnoten im Naturschutz verdient. Vorbildlich wurde etwa Essens Pflegeentwicklungsplan für die rund vier Kilometer lange Heisinger Ruhraue gesehen, von dem bereits 36 Punkte – der bekannteste bislang ist die Bogenbrücke am Ruhrufer Rellinghausen (wir berichteten) – abgearbeitet wurden. Der prominenteste und mit knapp 600.000 Euro auch teuerste der nächsten Jahre, wird die Rückgewinnung der Auenlandschaft im Umfeld des Abschnitts Wuppertaler Straße 129a. Die Stadt rechnet mit einer Finanzspritze durch das Land von 80 Prozent.

Zunächst soll die Wiese, die bislang der Post und Telekom Sportverein nutzte, vorbereitet werden. Gehölz und einige Bäume müssen weichen, die alten Kinderspielgeräte abgebaut werden. Härter für Naturfreunde werden aber die Fällungen auf dem Damm, darauf befinden sich heute mehrere Wege, mit denen man sich Platz schaffen will.

Danach lassen die Fachleute das Wasser aus dem Tümpel, graben einen Ablauf ins darunter liegende Auengebiet hinter dem Damm. Daraufhin muss das Becken vom Schlamm befreit werden, der sich über viele Jahre auf dem Boden angesammelt hat. Rund drei Monate soll es dauern, bis der abgetrocknet und abtransportiert werden kann. Als Lagerfläche dient die ehemalige Vereinswiese. Mit Regen- und Hochwasser wird sich das Gewässer in den kommenden Jahren neu füllen, es liegt dann rund 80 Zentimeter tiefer als bislang.

Ist der Schlamm weg, wird auch die Wiese um rund einen Meter abgebaggert, sie liegt zu hoch. Der letzte und aufwendigste Schritt wird das Abtragen von rund 200 Metern Damm, der bis zu drei Meter zu hoch ist. Da die Erde mit Schadstoffen belastet ist, muss sie von Spezialfirmen entsorgt werden. Insgesamt werden so 3800 Quadratmeter Land und 2900 Quadratmeter Wasserfläche renaturiert.