Essen. . Auf den Spuren von Migration quer durch Katernberg: „Dorthin wo Milch und Honig fließen“ formt aus Flüchtlingsbiografien ein Theaterprojekt.

  • „Dorthin wo Milch und Honig fließen“ ist ein Theaterprojekt in Katernberg
  • Das Publikum folgt Flüchtlingsschicksalen auf einer inszenierten Stadtteil-Tour
  • Jeder Besucher wird von einem Audioguide von Station zu Station geführt

Gerade noch ist man die schmale Treppe zum Turm des Bergmannsdom in Katernberg hinaufgestiegen, da schweift der Blick in Gedanken auch schon über die Dächer von Bagdad. Ein warmer Wind und der Duft von Jasmin wehen dem Besucher um die Nase – für einen Moment liegt Katernberg mitten im Irak.

Ein Aufbruchs- und Sehnsuchtsort zugleich, so erklärt es die Stimme, die in den nächsten zwei Stunden Mittler sein wird zwischen den Welten; und ein Fremdenführer im eigenen Quartier. „Dorthin wo Milch und Honig fließen“, heißt ein ungewöhnliches Theaterprojekt, das sich entlang eines inszenierten Fußwegs durch Katernberg mit den Schicksalen abertausender Flüchtlinge, ihrer Heimat, aber auch mit der Ankunft im neuen Land beschäftigt.

Bei der Tour durch Katernberg spielt auch der Zufall mit

In Düsseldorf und Köln hat das Projekt in den vergangenen Jahren schon Furore gemacht. Am 22. September feiert die künstlerische Stadtteilreise nun in Katernberg Premiere. Regisseurin Charlott Dahmen, die seit Wochen an Originalschauplätzen recherchiert, verspricht eine Begegnung mit fremden Biografien und vielleicht noch nicht ganz so vertrauten Orten.

Ausgestattet mit einem Audioguide und Kopfhörern machen sich die Teilnehmer jeweils einzeln auf den Weg, folgen der Stimme und einer von insgesamt vier erlebten Fluchtgeschichten. Beispielsweise der von Burhan, der erst 15 Jahre alt war, als sein Vater von den Taliban ermordet wurde, als die Familie in Afghanistan ihn auf den Weg nach Deutschland schickte. Weitere Geschichten aus dem Irak, Somalia oder Syrien begleiten die Theatergänger via Audioguide durch Katernberg. Immer wieder werden dabei Verbindungen zwischen dem Stadtteil und den persönlichen Fluchtspuren in Hinterhöfen, Gärten oder in einer Moschee szenisch hergestellt. Da spricht dann ein Imam über Abschiedsrituale im Islam. Oder eine Frau gerät mit einem Polizisten aneinander. Realität oder Inszenierung? Das weiß in manchen Momenten keiner so genau.

Informationen zur Tour

Die Premiere ist am 22. September, 17.30 Uhr. Weitere Termine: 24. September, 12 Uhr; 28., 29., 30. September, jeweils 17.30 Uhr, 1.Oktober, 12 Uhr.

Startpunkt ist der „Bergmannsdom“, Ev. Kirche,
Katernberger Markt 12.

Der Eintritt 11/erm. 6 Euro geht als Spende an Pro Asyl / Flüchtlingsrat Essen e.V. Tickets im VVK unter 01806-570070, an den bekannten VVK-Stellen und in der Buchhandlung Katzensprung, Hanielstr. 1 sowie im Netz: www.engagement-global.de/theater

Die künsterischen Leiterinnen Charlott Dahmen und Karin Frommhagen haben die Erzählungen im Vorfeld aus vielen Einzelinterviews stellvertretend für zigtausende Biografien zusammengestellt, verdichtet und von professionellen Sprechern aufnehmen lassen. Zu Wort kommen Akademiker wie Analphabeten, zwei Frauen, ein Mann, ein unbegleiteter Jugendlicher. Denn „es gibt nicht d e n Flüchtling“, nennt Charlott Dahmen eines der zentralen Anliegen.

„Theater mit Zufallsfaktor“

In Katernberg treffen ihre Wege nun aufeinander. Und verschmelzen dort zu einer ebenso poetischen wie bewegenden Stadterkundungs-Tour, „Theater mit Zufallsfaktor“, nennt es der Kölner Schauspieler Tomasso Tessitori, der zu den professionellen Ensemble-Mitgliedern gehört. Aber auch Menschen aus dem Stadtteil machen mit wie Fatos Sahan: „Das Interesse ist schon groß“, berichtet die seit den 1980ern in Katernberg lebende Türkin von Gesprächen mit Anwohnern vor Ort.

Wer und was einem auf dem Weg begegnet, ist einerseits inszeniert, bleibt anderseits aber auch ein bisschen dem Zufall überlassen. „Jeder erlebt etwas anderes“, sagt Dahmen, die die Produktion im Auftrag der gemeinnützigen Organisation Engagement Global und des Kölner Kulturprojektevereins intakt mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Bonn realisiert.