Essen. . Die Partnerschaft zwischen Essen und Sunderland besteht seit 1949 und soll trotz des Votums der Bürger für den EU-Austritt kein Auslaufmodell sein.
Die Briten sagen der EU „Good bye“ und Essens Partnerstadt Sunderland hat daran einen überdurchschnittlich hohen Anteil. Dass 62 Prozent für den Brexit stimmen würden, hätte der einflussreiche Ratsvorsitzende Paul Watson nicht für möglich gehalten. Noch zwei Tage vor dem Referendum hatte der pro-europäische Labour-Politiker in einem längeren Telefonat mit OB Thomas Kufen einen „knappen Ausgang“ prognostiziert. Und nun? Entwickelt sich die ohnehin nicht sehr lebendige Städtepartnerschaft endgültig zu einem Auslaufmodell?
Engländer und Franzosen reichten „hässlichen Deutschen“ Hand
Den Städtebund auflösen – daran hat Thomas Kufen überhaupt kein Interesse. Egal, wie das EU-Votum ausfallen werde, Essen bleibe an der Seite von Sunderland, versprach er Watson. Und mit der Gewissheit, der Brexit werde kommen, legt auch Ratsvorsitzender Paul Watson ein Bekenntnis zur Städtepartnerschaft mit Essen ab. Zwei Wochen nach dem Sieg von „Leave“ (EU-Austritt) versicherte er Kufen in einem Brief, dass die schon 1949 begründete Städteehe, eine der ältesten in Europa, weiter bestehen bleiben werde: „Unsere Partnerschaft wurde aus dem Wunsch geboren, Menschen in Europa auf der kommunalen Ebene näher zusammenzubringen. Das ist heute wichtiger denn je.“
In den beiden Jahrzehnten nach Weltkrieg und Holocaust reichten insbesondere die Engländer und Franzosen in Städtepartnerschaften dem „hässlichen Deutschen“ freundschaftlich die Hand. Ein historischer Akt der Versöhnung, dem ein reger und fruchtbarer Austausch von Schülern und Chören, Feuerwehrleuten und Fußballklubs folgen sollte. Doch gegen Ende der achtziger Jahre, als sich die Beziehungen längst normalisiert hatten, hatte auch das bürgerschaftliche Engagement rapide nachgelassen.
Zahlreiche gemeinsame Projekte
Und wer füllt die 65 Jahre alte Ehe zwischen Essen und Sunderland jetzt mit Leben? „Wir arbeiten in zahlreichen Projekten sehr intensiv zusammen“, betont Petra Thetard, die im Rathaus die Stabsstelle Internationale Beziehungen leitet. So haben sich Studenten der jeweiligen Universitäten in einem Umweltprojekt zusammengetan und Kommunalbeamte tauschen über das gut funktionierende Netzwerk Euro Cities gegenseitig Erfahrungen aus. Ordnungsdezernent Christian Kromberg reiste nach dem Brexit-Votum nach Sunderland – auch um zu erfahren, mit welchen Mitteln die britischen Freunde „urbane Sicherheit“ gewährleisten.
Essen und seine inter- nationalen Beziehungen
Ein britischer Erziehungsoffizier hat die Städte-Ehe mit Sunderland 1949 während der Besatzungszeit von oben verordnet.
Essen hat sieben Partnerstädte: Sunderland, Grenoble (Frankreich), Tampere (Finnland), Tel Aviv (Israel), Nishnij Nowgorod (Russland), Zabrze (Polen) und Changzhou (China).
„Die beiden Städte ähneln sich und können viel voneinander lernen“, fügt Michael Theisen, der Beauftragte für Städtepartnerschaften, hinzu. Paul Watson signalisierte Thomas Kufen, dass er an einem baldigen Treffen interessiert sei und sich auf Essen als Grüne Hauptstadt 2017 freue. „Es scheint, als würde man sich nach dem Brexit erst recht auf die gemeinsamen Wurzeln zurückbesinnen“, hofft Petra Thetard.