Essen. . Kleine französische Gemeinschaft in Essen baut bei Fußball-EM auf den Heimvorteil. Aber für Gegner Deutschland können sich einige auch etwas erwärmen.
- Am Donnerstag treffen Deutschland und Frankreich im EM-Halbfinale aufeinander
- 921 Franzosen leben in Essen und fiebern mit der „Équipe Tricolore“
- Einige gönnen aber auch Deutschland den Sieg
„Noch kannst du lächeln“, frotzelt ein vorbeilaufender Marktkollege Franck Roullé an. „Wir sprechen uns Freitag!“ Der Franzose lässt sich seine gute Laune nicht vermiesen. Er lacht weiter und winkt ab. An seinem Stand auf dem Rüttenscheider Markt verkauft er Spezialitäten aus seiner Heimat. Die passende Flagge weht über Pastete, Schinken und Käse im Wind. Roullé hat das blaue Trikot der „Équipe Tricolore“ übergestreift. Er ist sich sicher: Frankreich schlägt Deutschland im EM-Halbfinale. „2:1. Antoine Griezmann und Paul Pogba treffen für uns“, tippt er siegessicher.
Wenn es am Donnerstag in Marseille um den Einzug ins Endspiel geht, fiebern in Essen 921 hier lebende Franzosen mit. Acht davon werden zusammen mit Franck Roullé bei seinem Bruder schauen. „Das wird eine reine Männertruppe“, freut er sich auf den Abend. Vor 21 Jahren kam Roullé „wegen die Liebé“, wie er mit unverkennbaren Akzent sagt, ins Ruhrgebiet und nach Essen. Die Liebe von damals ist bereits verflossen. Die zu seinem Heimatland trägt er weiter im Herzen. Die Truppe wird das Spiel auf einem französischen Sender verfolgen. Mit französischem Kommentar. „Ich hoffe auf ein schönes Spiel, nicht so von Taktik geprägt wie Deutschland gegen Italien“, sagt Roullé, der sicher ist, dass, egal wer gewinnt, später den Titel holt. „Locker und deutlich.“
Erfolg bei EM bringe Franzosen auf andere Gedanken
Auch Deutschland gönne er Sieg und Titel. Aber für die Franzosen daheim würde er sich noch mehr freuen. Roullé stammt aus der Bretagne, wohnte später lange in Paris. Der Stadt, die so tragische Zeiten hinter sich hat. Er fühlt mit seinen Landsleuten. „Nach den politischen Unruhen und vor allem den Anschlägen freue ich mich, wenn der Erfolg bei der EM die Leute auf andere Gedanken bringt.“ Seit der K.o.-Runde bekomme er auch hier mit, dass so langsam richtig Stimmung bei der Grande Nation aufkommt.
Das bestätigt auch Karin Meyer. Vor drei Wochen war sie in Paris. Da sei vom großen Fußballfest noch nicht viel zu spüren gewesen. Jetzt hört sie von Verwandten, dass die Euphoriewelle ihr Geburtsland doch noch überrollt habe. Sie selbst ist sich nach 44 Jahren in Deutschland nicht mehr so sicher, welche Farben sie vertritt. Karin Meyer heiratete 1972 einen Deutschen, Rolf Meyer. Sie tat es ihrer Mutter gleich, die ebenfalls länderübergreifend den Bund fürs Leben einging.
„Mein Bauchgefühl sagt mir, dass Frankreich gewinnt“, erklärt Karin Meyer. Der Heimvorteil und das tolle Spiel gegen Island lassen ihren inneren Kompass in Richtung blau-weiß-rot ausschlagen. Ihre zwei Kinder und ihre zwei Enkelkinder halten jedoch zu Deutschland. „Ich würde mich für beide Teams freuen“, sagt Karin Meyer diplomatisch.
„Mein Herz schlägt für beide“
So hält es auch Florence Petithuguenin. „Mein Herz schlägt für beide“, sagt sie. Jedoch mit hauchdünnem Vorsprung für Frankreich. Ebenso knapp werde auch das Duell auf dem Rasen ausgehen. 3:2 für den Gastgeber, tippt die Französin mit dem zungenbrechenden Nachnamen. Für Deutschland sei es am Donnerstag ohne die Verletzten und ohne den gesperrten Mats Hummels schwer.
Die geteilten Lager in ihrem Herzen kennt Florence Petithuguenin als Kind einer Deutschen und eines Franzosen von klein auf. Nach der Trennung der Eltern zog sie vor 30 Jahren mit der Mutter aus dem Elsass nach Deutschland. Seit 17 Jahren lebt sie in Essen. Das Spiel wird sie in den „Les Halles du Futbol“ gucken. Im Trikot der Franzosen. Sie hofft, dass noch mehr Fans ihre Farben beim Public Viewing in Rüttenscheid tragen werden. Es sei doch fair, wenn Frankreich gewinnt. „Dann ist Deutschland amtierender Welt- und Frankreich amtierender Europameister.“ Brüderlich teilen, nennt sie das.