Essen. Die Ehrenordnung des Rates stößt gleich beim ersten Ernstfall an Grenzen. Bei der Berichtspflicht ist Nachbessern zwingend. Moral bleibt aber individuell.

Tugendhaftigkeit auf dem Verordnungswege herzustellen ist ein ambitioniertes Vorhaben. Das wird an der noch frischen Ehrenordnung des Rates klar, die gleich ihren ersten wirklichen Ernstfall nicht bestanden hat.

Geschäfte mit der Stadt sind erlaubt

Geregelt ist darin zwar beispielsweise, dass Ratsleute Geschenke ab 25 Euro abzulehnen haben. Geschäfte mit der Stadt, die vielleicht Hunderttausende Euro einbringen, sind jedoch im Grundsatz erlaubt, wie der Fall des SPD-Ratsherrn Arndt Gabriel zeigt. Dass dies vielen Bürgern widersinnig vorkommt, ist verständlich.

Wie immer, wenn es um Juristerei geht, steckt der Teufel allerdings im Detail. So herrscht in Deutschland zu Recht Gewerbefreiheit für jedermann. Es ist fraglich, ob es da rechtlich zulässig ist, einem ehrenamtlich tätigen Kommunalpolitiker pauschal jede Geschäftstätigkeit mit der Stadt zu verbieten. Und was ist dann mit jenen, die sich neben der politischen Arbeit Verbänden, Vereinen, Lobbygruppen aller Art verbunden fühlen, was verbreitete Realität ist? Auch da geht es oft um Geld.

Konstrukt des privat und beruflich interessenlosen Politikers gibt es nicht

Den klinisch reinen, privat und beruflich interesselosen Politiker sieht nicht nur die Rechtsordnung nicht vor. Er ist ein reines Konstrukt, es gibt ihn im wahren Leben nicht. Es wäre auch fraglich, ob solch ein Neutrum bessere Politik macht. Ein Politiker braucht – wie jeder Mensch – ein Gefühl für Anstand und gewisse Grenzen. In Gesetze gießen lässt sich das nur bedingt.

Das alles heißt jedoch nicht, dass der Fall Gabriel machtlos hinzunehmen ist. Die Pflicht zu berichten, wann immer die beruflich-private und die politische Ebene zu verschwimmen drohen, kann weiter ausgebaut und verfeinert werden. Wer dagegen dann verstößt, muss die Folgen zu spüren kriegen.