Essen. Solo erhalten Ratsmitglieder wenig, als Duo gibt's 95.000 Euro extra. Das weckt Begehrlichkeiten, denn so lässt sich Politik zum auskömmlichen Beruf machen.

  • Der Übertritt von Guido Reil zur AfD löst Spekulationen über eine neue Ratsgruppe aus.
  • Und wirft die Frage nach den Kosten auf. Gruppen erhalten vergleichsweise üppige finanzielle Zuwendungen.
  • Die Möglichkeiten der politischen Mitgestaltung sind aber so gering wie bei Einzelvertretern im Rat.

Ja, ja, das liebe Geld. Im Rat der Stadt sollen schon die ersten Wetten laufen: Wie schnell wird es wohl gehen, bis sich dem zur AfD übergelaufenen Ex-Sozialdemokraten Guido Reil ein weiteres Mitglied des Stadtparlaments anschließt, um eine Ratsgruppe zu gründen? Reil will eine solche Avance bereits erhalten haben von seinem ehemaligen Fraktionskollegen Arndt Gabriel, der wegen seines Asyl-Immobilien-Geschäftes bei seinen Genossen nicht mehr wohl gelitten ist. Das war – wohl gemerkt – vor seinem Eintritt in die AfD. Reil will dankend abgelehnt haben. Nein, ums liebe Geld gehe es ihm nicht.

Dabei wäre es, finanziell gesehen, sehr wohl lukrativ. Muss sich doch ein einfaches Ratsmitglied, das weder einer Fraktion noch einer Gruppe angehört, mit einem überschaubaren Betrag bescheiden. 4000 Euro pro Jahr gibt’s für Sachkosten sowie als Aufwandsentschädigung eine monatliche Pauschale von 476,70 Euro plus 19,60 Euro pro Sitzung. Aufs Jahr gesehen kommt ein Einzelkämpfer damit gut und gerne auf 10.000 Euro. Reich wird man als einfaches Ratsmitglied also nicht.

Eine Ratsgruppe, ein Duo also, erhält dagegen ein Vielfaches dessen: 95.000 Euro pro Jahr gibt’s für Personal- und Sachkosten; besagte Aufwandsentschädigung plus Sitzungsgeld oben drauf.

"Turbo-Gehälter" wären absurd

Solo oder Duo? Als Ratsmitglied mag man da ins Grübeln kommen. Zumal es einer Ratsgruppe selbst überlassen bleibt, wie sie das Geld ausgibt. Ob sie zum Beispiel ein eigenes Büro unterhält oder einen Geschäftsführer engagiert. Ob sie sich bei der Entlohnung des Angestellten anteilig an der Gehaltsgruppe A 16 des öffentlichen Dienstes orientiert wie der Rat bei der Berechnung des Personalkostenzuschusses – auch das liegt im eigenen Ermessen. Rund 60.000 Euro im Jahr gäbe es zu verdienen. Letztlich ist es Verhandlungssache.

Bei der „Bürgerlich Alternativen Liste“ (BAL) übernimmt Ratsherr Marco Trauten den Job in Personalunion, was nicht ungewöhnlich ist im Rat. Bei den Grünen führte Fraktionssprecherin Hiltrud Schmutzler-Jäger lange Zeit die Geschäfte. Beim Essener Bürgerbündnis gibt Fraktionschef Udo Bayer den Teilzeitgeschäftsführer.

Ex-AfD-Ratsherr Marco Trauten erhält laut BAL-Sprecherin Elisabeth van Heesch-Orgass einen Betrag oberhalb von 2000 Euro pro Monat. „Ich fände es absurd, wenn wir als Mini-Gruppe Turbo-Gehälter zahlen würden“, sagt die Ratsfrau aus Werden, die sich nach ihrem Austritt aus der Grünen Ratsfraktion dem Vorwurf ausgesetzt sah, nur ans Geld zu denken. Unbestritten ist: Die BAL büßte nicht nur den Fraktionsstatus ein, als sie sich nach kurzer Zeit wieder von Ratsherr Menno Aden, auch er ein ehemaliger AfD-ler, trennte, sondern auch rund 47.000 Euro Zuschuss pro Jahr.

Plädoyer für größere Mitspracherechte

Eben diese Summe fehlt den Partei-Piraten, seit ihnen Ratsfrau Anabel Jujol von der Fahne ging und die Fraktion auf drei Mitglieder zusammenschmolz. Gleiches gilt für die Linksfraktion nach dem Austritt von Janina Herff. Die beiden Ratsfrauen firmieren als Ratsgruppe „Schöner Links“ – für die Stadt ein Nullsummenspiel. Was Linken und Partei-Piraten an Zuschüssen verlustig ging, kassiert das Frauen-Duo.

Deren Geschäfte führt mit Jörg Bütefür, ein alter Bekannter von den Linken, für 1650 Euro monatlich. Bütefür spricht von einer Diskrepanz zwischen den finanziellen Zuwendungen, die Ratsgruppen erhalten, und den politischen Gestaltungsmöglichkeiten, die ihnen der Rat einräumt, was ein Plädoyer sein soll für größere Mitspracherechte und nicht für weniger Geld. Denn Mitglieder einer Ratsgruppe haben nur Anrecht auf Zugehörigkeit zu einem Fachausschuss – ohne Stimme.

Die rot-grüne Landesregierung will das Finanzielle ändern: Im Verhältnis zu Fraktionen sollen Gruppen weniger Geld bekommen, wenn auch erst ab 2020.