Essen-Heisingen. Parallel zum Wiederaufbau heiraten die Ginters 1951 und bekommen ihre Kinder in den Wirtschaftswunderjahren. Die beiden sind nun 65 Jahre verheiratet.
Etwas steif wirkt das Hochzeitspaar, schaut geradewegs in die Kamera. Der junge Mann trägt einen schwarzen Anzug, den er kaum ausfüllt, seine Braut ein schlichtes weißes Kleid ohne Firlefanz. „Mein Gott, wie jung wir damals waren, beide gerade 22“, sagt Josef Ginter und schaut seine Hildegard an. Die beiden verstehen sich ohne Worte, ein Phänomen, das nicht von ungefähr kommt: Die 87-Jährige ist seit 65 Jahren die Frau an seiner Seite. Im August feiern sie im Familienkreis ihre Eiserne Hochzeit.
Als die Ginters heirateten, war der Zweite Weltkrieg gerade sechs Jahre vorbei und die Erinnerung an Bombennächte, Tod und Zerstörung noch lebendig. Drei Brüder von Josef Ginter waren gefallen, er selbst wurde als Sechzehnjähriger noch kurz vor der Kapitulation eingezogen. „Ich hatte einfach nur Glück, dass ich überlebte“, sagt er nachdenklich. Das Glück blieb ihm hold: Zwei Jahre nach Kriegsende traf der Freisenbrucher in der Silvesternacht 1946/47 seine Hildegard und verliebte sich in die dunkelhaarige zierliche Steelenserin. „Wir waren beide tanzen in der legendären Freisenbrucher Gaststätte Overbeck, das war damals das beste Lokal vor Ort.“ Für das erste Porträtfoto, das ihm seine Frau kurze Zeit später von sich schenkte, wurde der Fotograf mit einer Schippe Kohle bezahlt, „ja, so war das damals“.
Erstes Auto war ein „blauer VW-Käfer, natürlich!“
Die langen Jahre ihrer Ehe sind vergleichbar mit der Geschichte der Bundesrepublik: Parallel zum Wiederaufbau wurde geheiratet, während des Wirtschaftswachstums kamen Tochter und Sohn zur Welt und Mitte der sechziger Jahre reichte das Ersparte fürs erste Auto. „Ein blauer VW-Käfer, natürlich!“ Dann die ersten Urlaube, erst in der Lüneburger Heide, dann nach Südtirol und später zehn Jahre lang an die italienische Riviera. Noch heute gerät Hildegard Ginter ins Schwärmen, wenn sie von den Ausflügen nach Monaco erzählt.
Wie damals üblich, blieb Hildegard Ginter Zuhause und sorgte fürs Wohl der Familie, während ihr Mann im Baugewerbe arbeitete. „Eigentlich sollte ich nach dem Krieg auf die Zeche, dort arbeitete mein Vater. Aber als ich vor dem Tor von Bonifacius stand, habe ich wieder kehrt gemacht. Ich wusste augenblicklich, das ist einfach nichts für mich.“
Eine Generation, die alles für ihre Kinder tut
Die Jahre vergingen, die Kinder wurden groß, bestanden das Abitur und – auch das ist typisch für die Generation, zu der die Ginters gehören: Sie tat alles dafür, damit es die Kinder einmal besser haben als sie. „Nicht nur unser Sohn und unsere Tochter, auch die fünf Enkelkinder haben studiert“, erzählt Josef Ginter mit offensichtlichem Stolz in der Stimme. Lange lebte die Familie in Freisenbruch, erst als eines der Kinder in Heisingen baute, zogen auch die Ginters dorthin. Und genossen ihr Großelterndasein, holten die Enkel vom Kindergarten ab und nahmen Anteil an deren Leben.
Mittlerweile hat sich der Radius verkleinert, sind Josef und Hildegard Ginter viel in ihren eigenen vier Wänden, wo sie noch einigermaßen selbstständig leben. „Nur die Knochen wollen nicht mehr so wie ich will“, sagt Josef Ginter. Leider ist der Freundeskreis stark geschrumpft, etwas, das beide nicht so schön am Altern finden. Fragt man das Paar nach einer goldenen Regel, nach ihrem persönlichen Rezept für so eine langlebige und offenbar glückliche Ehe, dann bekommt man nur eine einzige Antwort: „Wir haben halt alles gemeinsam gemacht“, sagen sie unisono und lächeln sich an.