Inge und Karlheinz Lehmkühler kehren heute, an ihrem 65. Hochzeitstag, an jenen Ort zurück, an dem sie „tausende von Kilometern tanzend zurückgelegt haben“, wie der 86-Jährige mit einem liebevollen Seitenblick auf seine Frau bemerkt. Ihre Eiserne Hochzeit feiern sie in Hafkes Schwan, dem früheren Tanzlokal Overbeck in Freisenbruch.
Diese gemeinsame Leidenschaft ist es auch, die die beiden 1946 in der Gaststätte Vogenbeck in Rellinghausen zusammenführt – beim Tanzen versteht sich. Der damals 19-jährige Karlheinz Lehmkühler ist gerade aus dem Krieg zurück, im zerbombten Essen läuft der Wiederaufbau auf Hochtouren. „Überall wurde gewerkelt, an jeder Ecke alles wieder hochgezogen. Es herrschte Aufbruchstimmung“, erinnert sich der Rentner, der selbst gern überall angepackt hat, wo es nötig war – und gern Neues ausprobiert. „Ich habe immer geboxt, später auch mal Judo gemacht“, sagt Karlheinz Lehmkühler, der am liebsten wieder in den Ring steigen würde, wenn er könnte.
„Mein Mann hat nie gesagt, dass er etwas nicht kann. Das hat mir immer imponiert“, so Inge Lehmkühler, die ebenso furchtlos war: „Ich konnte nicht schwimmen, bin aber im Friedrichsbad in Essen-West vom Dreier gesprungen, als alles rief ,Funke, spring!’ Danach konnte ich’s“, erinnert sich die 86-Jährige mit einem verschmitzten Lächeln. Sie ist die Nichte des WAZ-Gründers Jakob Funke, hat viele historische Fotos aufbewahrt und liest bis heute täglich Zeitung, „das gehört einfach dazu“, sagt sie.
Beruflich schlägt sie einen anderen Weg als ihr Onkel ein: Nach der Geburt der beiden Töchter Marion und Elke ist sie zunächst Verkäuferin in einem Feinkostgeschäft am Wasserturm an der Steeler Straße, ehe sie Schaffnerin bei der Evag wird. Als Mutter zweier Kinder in der damaligen Zeit keine Selbstverständlichkeit. „Sie war immer emsig“, lobt ihr Mann, der selbst seine Passion im Handwerk findet. Sein Vater ist Obersteiger in Rellinghausen, für Karlheinz Lehmkühler kommt das als junger Mann nicht in Frage. „Ich habe die Kohle da nicht reingebracht, also muss ich sie auch nicht rausholen“, antwortet er seinem Vater damals – und wird Karosseriebauer.
Dass er sein Handwerk beherrscht, davon zeugen bis heute die filigranen Holz-Schnitzereien und die massiven Möbel, die die beiden bei ihrem Umzug vom Altenhof ins Seniorenzentrum St. Martin mitgenommen haben. Aus gesundheitlichen Gründen fanden sie dort im vergangenen Herbst ein neues Zuhause, bekommen oft Besuch von ihren Töchtern. Die sind sichtbar stolz auf ihre Eltern und voll schöner Erinnerungen. Etwa an turbulente Fahrten zu viert auf dem Heinkel-Roller. Oder an das leer geräumte Wohnzimmer, wenn eine gute Musiksendung lief, wie Elke Bartsch noch weiß: „Sie haben eben immer viel Platz zum Tanzen gebraucht, auch zu Hause.“