Essen. . Die Essener SPD-Abgeordnete Petra Hinz sieht sich massiven - bislang anonymen - Anschuldigungen von Ex-Mitarbeitern ausgesetzt, die ihre Kandidatur torpedieren wollen.

  • Klagen über „menschenunwürdigem Umgang“
  • Hinz kann sich Vorwürfe nach eigenem Bekunden nicht erklären
  • Bundestagsfraktion soll über Beschwerden informiert gewesen sein

Wer trifft schon immer den richtigen Ton? Petra Hinz jedenfalls nicht: Das weiß, wer im Internet-Auftritt der SPD-Bundestagsabgeordneten das freimütige Bekenntnis nachliest, nach dem die gelernte Juristin abseits anderer Hobbies auch „gerne aber schlecht“ singt.

Und wer die 54-Jährige jemals auf einem Parteitag der hiesigen Sozialdemokraten erlebte, der kennt auch ihre sirenenhaften Beiträge auf hohem Erregungsniveau, diesen gelegentlichen Hang zum Schrillen, unter dem – das jedenfalls wissen die „lieben Genossen“ zu berichten – auch die Mitarbeiter schon mal leiden.

Aber das alles wäre ja Kinderkram gegen das, was in diesen Tagen ein vermeintlicher Kreis ehemaliger Mitarbeiter aus der Hauptstadt – bislang nur anonym – über die Politikerin aus Frohnhausen verbreitet: Danach muss das Berliner Büro der Sozialdemokratin so eine Art Vorhof der Mitarbeiter-Hölle sein. Ein Ort, an dem „persönliche Beleidigungen, Diffamierung, Mobbing, ständige Überwachung und Maßregelung sowie Übertragung von demütigenden Aufgaben zum täglichen Umgangston gehören.“ Wo ein „menschenunwürdiger Umgang“ zu „traumatischen Erfahrungen“ führt, die längst auch die „AG Mitarbeiter“ der SPD-Bundestagsfraktion erreicht hätten – bis hinauf zum ehemaligen Vizepräsidenten des Bundestages, Wolfgang Thierse.

„Überrascht und regelrecht sprachlos“

Mit diesen geharnischten Anschuldigungen konfrontiert, zeigt sich Hinz – immerhin eben erst als stellvertretende Parteivorsitzende im Amt bestätigt – erklärtermaßen „überrascht und regelrecht sprachlos“. Und beteuert, sie habe in all den Jahren seit ihrem ersten Einzug in den Deutschen Bundestag anno 2005 nie auch nur ansatzweise solcherlei Beschwerden vernommen.

Natürlich, so räumt sie ein, knirsche es schon mal im Gebälk, „wenn man so dicht aufeinander hockt wie wir hier in den Büros.“ Aber unterm Strich wende sich doch stets alles zum Guten: Ex-Mitarbeiter schenken ihr mitunter Schokolade zum Geburtstag, und sie revanchiert sich zum Christfest mit schönen Kalendern.

Alles also nur ein großes Missverständnis? Was tun? Hinz muss, so sagt sie, erst einmal sacken lassen, was da als „Offener Brief“ einen groß bemessenen sozialdemokratischen Adressatenkreis gefunden hat, darunter die Landesvorsitzende sowie sämtliche SPD-Ortsvereine und die versammelte Sozi-Schar im Stadtrat, die am Mittwoch gespannt über dem Schreiben hockte und wie auch mancher Mandatsträger hin- und hergerissen ist, es für authentisch zu halten – oder eben nicht.

Ehemalige Kraft im Bundestagsbüro bestätigt harschen Umgang

Fakt ist: Es gibt ein paar Merkwürdigkeiten an dem Papier, dessen klar formuliertes Ziel lautet, eine erneute Bundestags-Kandidatur Hinz’ im Herbst kommenden Jahres zu verhindern. Zumal viele SPD-Ortsvereine im Wahlkreis, darunter große wie Frohnhausen und Holsterhausen, aber auch Burgaltendorf, Überruhr oder Kupferdreh ihr Votum bereits abgegeben haben. Die offizielle Kür erfolgt erst am 10. September.

Andererseits gilt, was ein Genosse so formuliert: „In offener Feldschlacht kann man der Petra nicht beikommen“, das gehe nur „hintenrum“. Der anonyme Vorstoß, er hat ein Geschmäckle, so viel ist mal klar, aber nach Recherchen dieser Zeitung ist er eben nicht an den Haaren herbeigezogen.

So bestätigt eine ehemalige Kraft im Bundestagsbüro den harschen Umgang, spricht von bis zu 50 Mitarbeitern in elf Jahren (Hinz kommt auf etwa 20) und weiß auch zu berichten, dass die „AG Mitarbeiter“ der SPD-Bundestagsfraktion tatsächlich genauso eingebunden war wie die Fraktionsspitze.

Aktenkundige Mobbing-Vorwürfe – das könnte brenzlig werden für Petra Hinz, bei der sich am Mittwoch schon der frischgewählte Essener Parteichef, NRW-Justizminister Thomas Kutschaty, meldete, um die Lage zu erörtern. Und während die Briefautoren andeuten, dass sie womöglich in absehbarer Zeit aus der Anonymität heraustreten, bleibt für Petra Hinz die Zeit stehen, wenigstens im Internet: Da ist sie noch drei Jahre jünger. Und schreibt, dass die Bücherverbrennung der Nationalsozialisten „dem ,Bücherwurm’ Petra Hinz ein Gräuel war“.

Es ist, wie gesagt, nicht leicht, den richtigen Ton zu finden.