Essen. . Betrüger haben Flüchtlinge als leichte Beute entdeckt. Sie kassieren etwa für die Vermittlung von Wohnungen. Die Opfer scheuen den Gang zur Polizei.

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Kleinkriminelle und Betrüger haben offenbar Flüchtlinge als leichte Beute entdeckt: So knöpfen sie ihren Opfern Geld für die Vermittlung von Wohnungen ab, oder halten die Hand für Leistungen auf, die hierzulande kostenlos sind. Das Risiko für die Täter ist eher gering, da die Betroffenen in der Regel den Gang zur Polizei scheuen.

Während einige Ehrenamtliche von einer Art Wohnungs-Mafia sprechen, die sich im Umkreis der Asylunterkünfte gebildet habe, ist bei der Essener Polizei nichts dergleichen aktenkundig. Mindestens zwei Jahre sei es her, dass es dazu eine Anzeige gegeben habe, sagt Polizeisprecherin Tanja Hagelüken. „Aktuell ist uns kein Fall bekannt.“ Es sei allerdings gut möglich, dass es bei dieser Kriminalität ein größeres Dunkelfeld gebe: „Vielleicht erscheint den Betroffenen die Zahlung gar nicht so ungewöhnlich.“

„Ich gehe zur Polizei und sage, dass Du mit dem IS zusammenarbeitest“

Oder ihr Wunsch, vom Zeltdorf oder einer anderen engen Unterkunft in die eigenen vier Wände zu ziehen, ist größer als ihr Misstrauen. Die Syrerin Nesheda K. etwa erzählt, sie habe 200 Euro an einen Tunesier gezahlt, um mit ihren beiden Söhnen aus der ehemaligen Tiegelschule im Essener Nordviertel in eine Wohnung ziehen zu können. Eine Bekannte hatte ihr das neue Zuhause in Aussicht gestellt, der Nordafrikaner wollte mitverdienen. Dass der Mann offiziell als Makler tätig war, darf man ausschließen: Denn die Vermieterin hatte keinen beauftragt und sie betont, „dass ich Frau K. mehrfach gesagt habe, dass sie nichts zahlen muss. Es war auch ein Dolmetscher da, der ihr das übersetzt hat“.

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Geholfen hat diese Erklärung leider nicht: Immer wieder begegnete Nesheda K. dem Tunesier in der Nähe des Flüchtlingsheims, immer wieder forderte er Geld. Er verlange doch wenig für die Vermittlung, andere nähmen 1000 Euro. Sollte sie nicht zahlen, werde er dafür sorgen, dass ihr Bruder keine Wohnung bekomme, drohte er. Oder: „Ich gehe zur Polizei und sage, dass Du mit dem IS zusammenarbeitest.“ Eingeschüchtert zahlte die Syrerin und verzichtete auf eine Anzeige. Dabei würde sie gern helfen, den windigen Vermittler zu stoppen, schließlich wisse sie aus der syrischen Community, dass er auch in anderen Unterkünften auftauche: „Das ist ein Business.“

Auch für Schulplätze soll Geld gezahlt worden sein

Kathrin Richter von Pro Asyl hält diese Schilderung für glaubwürdig: „Es gibt mafiöse Strukturen. Wir hören häufig, dass Flüchtlingen Leistungen gegen Geld versprochen werden, nicht nur das Beschaffen von Wohnungen. Sie sollen zum Beispiel auch dafür zahlen, dass ihre Kinder zur Schule gehen dürfen.“ Die Stadt bitte Flüchtlinge und Ehrenamtliche daher um konkrete Hinweise, damit man solche Gerüchte erhärten und gegen Kriminelle vorgehen kann.

„Nur wenn wir Namen haben, können wir prüfen, ob jemand ein Gewerbe angemeldet hat“, sagt der Leiter des Amtes für Soziales und Wohnen, Hartmut Peltz. Makler-Tätigkeiten seien ja nicht illegal, doch oftmals gebe es Anzeichen für betrügerische Absichten. Noch offensichtlicher sei es, wenn etwa ein Schulplatz gegen Bares angeboten werde. „Da können wir Flüchtlinge nur immer wieder informieren, dass das umsonst ist.“ Es gebe in den Unterkünften Aushänge dazu, außerdem klärten Sozialbetreuer und Ehrenamtliche hier auf.

Stadt und Allbau bauen Wohnungsvermittlungs-Agentur auf

Daneben setzt Peltz auf die Wohnungsvermittlungs-Agentur von Stadt und Allbau AG, die im Juli an den Start geht und in den nächsten zwei Jahren 2000 Wohnungen vermitteln will. Bei immer noch täglich 35 bis 40 neu in Essen ankommenden Flüchtlingen werde der Druck auf den Wohnungsmarkt jedoch nicht sobald abnehmen.

Asylbewerber schlagen daher häufig selbst Zahlungen vor. „Sie kennen das von ihrer Flucht“, sagt Winfried Rottenecker, Diakon der Pfarrei St. Gertrud und Mitglied des Runden Tisches Tiegelstraße. „Auch mir wird oft Geld geboten, damit ich eine Wohnung vermittle.“ Natürlich lehne er das ab und kläre die Flüchtlinge auf, dass das weder üblich noch nötig sei. „Was aber, wenn ihre tägliche Erfahrung eine andere Sprache spricht?“

Immer mehr Flüchtlinge suchen sich selbst eine Wohnung: Im März zogen 203 Flüchtlinge aus Asylheimen in selbst gesuchte Wohnungen, im April waren es 224. In beiden Monaten zogen außerdem jeweils rund 50 Flüchtlinge in eine Wohnung, die ihnen die Stadt in vermittelt hatte.

Um die Zahl der Vermittlungen deutlich zu erhöhen, haben Stadt und Allbau AG im Februar vereinbart, eine Wohnungsvermittlungs-Agentur aufzubauen. Deren Ziel ist, in den nächsten zwei Jahren 2000 Wohnungen mit Platz für 4000 Flüchtlinge bereitzustellen. Dabei ist die Allbau AG vor allem für die Suche der Wohnungen verantwortlich. Gemeinsam suchen Mitarbeiter der Wohnungsgesellschaft und der Stadt in den Asylheimen die passenden Mieter.