Essen. . Neuer Image-Film malt ein Bild von Essen, wie es schöner nicht sein könnte. Nur der defensiv klingende Titel deutet an, dass irgendwas nicht stimmt.

Die schlechten Nachrichten häufen sich in letzter Zeit, da kämen viele Medien nur noch nach Essen, um Tatort-Reportagen zu verfassen, klagte Oberbürgermeister Thomas Kufen am Montagabend in der Lichtburg. Und deshalb freue er sich so auf den neuen Image-Film, der mal wieder das Positive der Stadt hervorhebe. Und wie!, möchte man ergänzen. In einer Stadt, wie sie der Film zeigt, wäre wohl jeder gerne OB. Dass dieses Bild ein wenig geschmeichelt ist und ob nicht selbst für einen Image-Film etwas dick aufgetragen wurde, war dann unter den Premierengästen ein viel diskutiertes Thema. Und dafür sind Premieren ja schließlich auch da.

Torsten Knippertz ist der „Reiseführer“ des Films. Hier auf Zollverein.
Torsten Knippertz ist der „Reiseführer“ des Films. Hier auf Zollverein. © Film

Satte 90 Minuten Essen hat Regisseur Stefan Windprecht mit seiner Produktionsfirma K+S zusammengeschnitten, fast 300 Stunden Filmmaterial standen als Basis zur Verfügung. Der überzeugte Essener, der bereits 2009 einen ähnlichen Film produzierte, fand, man müsse mal wieder was Neues nachlegen. „Essen ist anders“, so der Titel. Das klingt defensiv und etwas altmodisch, denn so oder ähnlich fingen schon vor 40, 50 Jahren die Filme und Bildbände über Essen an. Dass die Briketts hier nicht mehr tief fliegen, sollte sich eigentlich herumgesprochen haben, aber nach diesem Film weiß es nun endgültig jeder.

Am schönsten ist Essen wirklich von oben

Ein Drehort: Eine Bude am Rüttenscheider Markt.
Ein Drehort: Eine Bude am Rüttenscheider Markt. © Film

Anderthalb Stunden sind lang, da kann man eine Stadt schon kennenlernen. Ein Highlight jagt das nächste: Natürlich der Baldeneysee, natürlich Zollverein, natürlich der Dom. Und ausgehend von diesen Säulen wird dann wirklich alles gezeigt, was in Essen zu den allgemein anerkannten plakativen Sehenswürdigkeiten zählt, wobei Vollständigkeit durchaus das Ziel ist.

Kultur ist ein Mega-Thema, klar, und auch sonst wird gefeiert, dass sich die Balken biegen. Wenn in ferner Zukunft einmal Außerirdische diesen Film entdecken, werden sie sagen: Fideles Völkchen, diese Essener! Hin und wieder kommen auch arbeitende Menschen ins Bild, bevorzugt sind sie bei den Sponsoren des Films beschäftigt. Über den ewig blauen Essener Horizont zieht die Foto-Drohne, ergötzt sich an der Skyline, an der faszinierenden Stadtlandschaft und am vielen Grün, das auffallend oft erwähnt wird. Die Filmmusik ist dramatisch, der Himmel hängt voller Geigen. Es bestätigt sich erneut: Am schönsten ist Essen wirklich von oben.

„Wir wollten ausschließlich die schönen Seiten der Stadt zeigen“

© Film

Kann man, soll man einen Image-Film heute noch so machen? Etwas platt gefragt: Glaubt das jemand? „Es ging uns nicht um eine Dokumentation, wir wollten ausschließlich die schönen Seiten der Stadt zeigen“, sagt Stefan Windprecht. Und ja, vielleicht wäre manchmal noch ein Augenzwinkern angebracht gewesen, räumt er ein.

Immerhin: Der Film lässt neben den meist etwas gestanzt redenden Offiziellen auch ganz normale Menschen zu Wort kommen, und immer dann sind in der gut besuchten Lichtburg die Reaktionen eindeutig. Da darf man das Pathos beiseite schieben und befreit lachen. Über Essen und die Essener. Nicht hämisch, aber wissend. Tut als Unterbrechung zwischen so viel feierlicher Schönheit gut. Ohne einen Schuss Ironie ist das Leben schwerer. Auch und gerade in Essen.

„Essen ist anders – ein Porträt 2.0“ gibt’s in Zusammenarbeit mit dem Klartext-Verlag in einigen Wochen auch auf DVD. Preis: 9,95 Euro.

Drei Meinungen aus der Redaktion zum Imagefilm "Essen ist anders – ein Porträt 2.0" lesen Sie auf Seite 2 des Artikels:

Imagefilm „Essen ist anders“ – drei Meinungen aus der Redaktion 

Drei Meinungen aus der Redaktion zum Imagefilm "Essen ist anders – ein Porträt 2.0":

Ehrlich und sehr direkt

Okay, keine Handlung, keine Dramaturgie, dafür aber etwas viel Länge. Nein, einen Oscar wird der neue Film „Essen ist anders“ nicht bekommen. Aber was ist der Film denn nun? Eine muntere Sammlung von Bildern aus unserer Stadt, die unterhalten, faszinieren und immer wieder auch berühren. Es ist wie ein neugieriger Blick durch ein Kaleidoskop: Wir sehen Bekanntes und trotzdem werden wir von neuen Perspektiven und Ansichten überrascht.

Der Film ist ehrlich und manchmal sehr direkt, so wie es die Menschen sind, die hier leben. Da sind die besonderen Momente, mit den Bürgern auf der Bierbank, die authentisch ihre spontanen Gedanken aussprechen. Authentisch heißt dabei, so wie ihnen der Schnabel gewachsen ist und was ihnen gerade in den Sinn kommt. Macht man hier so. Thorsten Schabelon

Hochglanz sticht Herz

Das Schönste in Essen sind die Menschen – so drücken viele die Sympathie für ihre Stadt in den kurzen Einspielern im Film „Essen ist anders“ aus. Eine Bürgerin empfindet ihre Heimat gar als „potthässlich“, aber deren Einwohner, ja die seien etwas Besonderes.

Eine „filmische Hochglanzbroschüre“ nannte Regisseur Stefan Windprecht im Vorfeld diesen Imagefilm – und als solche ist er gelungen. Aber so verschwinden die charmanten Aussagen der Essener hinter den schicken Bildern der Sehenswürdigkeiten und großen Firmen dieser Stadt. Als Werbung für Wirtschaftsunternehmen mag dies das Richtige sein, aber das Herz, das kommt zu kurz. Ein filmisches Portrait der Menschen, nicht der Kulissen, fehlt unserer Stadt – aber welcher Sponsor will das bezahlen? Linda Heinrichkeit

Heimat ist gut, der Film eher nicht

Was soll man sagen: Ich bin für einen solchen Overkill an Reklame und ermüdenden Aufzählungen von Sehenswürdigkeiten und Events einfach nicht geschaffen. Was eine Stadt ausmacht, ist zugegeben filmisch schwer zu packen, wenn es am Ende eben Werbung sein soll und das Stille, Skurrile, Widersprüchliche fast ganz außen vor bleibt. Arg schöne Bilder gab es, auch interessante Kameraführungen.

Vor allem die Texte haben mein Herz nicht erreicht. „Essen ist anders“. Ja, stimmt, aber nicht so. „Die tollste Stadt der Welt“, wie eine Kundin im Limbecker Platz meint? Leicht übertrieben. Ich halt’s mit der 88-jährigen Lokalpatriotin Schwester Magdalena, die als Kind im Stadtgarten laufen lernte: „Heimat ist immer gut“. Das ist doch der Kern der Sache. Schön oder hässlich – meine Stadt. Frank Stenglein