Essen.. Essener sind glückliche Europäer, sagt die EU. Noch glücklicher seien hierzulande nur die Münchner. Linda Heinrichkeit hat in beiden Städten gelebt. Ein ganz persönlicher Vergleich.

Die Menschen in Essen sind glückliche Europäer, sagt die EU. Noch glücklicher seien hierzulande nur die Münchner. Dieses Umfrageergebnis ist allemal Anlass genug für einen ganz persönlichen Städte-Vergleich. Wie Linda Heinrichkeit das Leben in Essen und München sieht:

Direkte Vergleiche hat Essen nicht nötig, es ist einzigartig

Als ich vor zwölf Jahren mit 16 nach München zog und sagte, ich käme aus dem Ruhrgebiet, lautete der übliche Kommentar: „Da ist es doch nur grau. Und warum sagst du eigentlich immer ,ne?’ und ,Zuch’ und ,wech’?“ Zu Beginn noch die Vielfältigkeit meiner Vaterstadt Essen verteidigend, schrumpfte mein Lokalpatriotismus bald, auch ob der Schönheit dieser „nördlichsten Stadt Italiens“, wie man sagt, mit all ihren Prunkbauten in der Innenstadt und all ihren Seen und Bergen vor der Haustür.

Acht Jahre später, 2012, komme ich zurück in den Pott, zurück nach Essen, der „Droge“, von der ich nie losgekommen bin. Und ich bin mir sicher: Nach München werde ich nie wieder ziehen. Denn hier ist das Leben nicht nur günstiger, sondern auch schöner. Dass die Gruga mit dem Englischen Garten und das Museum Folkwang mit der Pinakothek der Moderne mithalten kann, liegt auf der Hand. Essen trug offiziell den Titel der Kulturhauptstadt, München meint dies sowieso zu sein. Direkte Vergleiche hat Essen nicht nötig, denn es ist einzigartig. Und das Schönste in dieser Ruhrmetropole sind die Menschen.

Der Münchner redet über sich, der Essener hört zu und hilft

Geht man in München mit Kinderwagen in ein Kaufhaus, hält selten jemand die Tür auf. In Essen steigt sogar der Straßenbahnfahrer aus und hilft die Treppen hoch. Mein Metzger kennt die Namen meiner Kinder, meine Bäckerin gibt ihnen jeden Sonntag einen Keks. Der Münchner redet über sich selbst, der Essener hört zu, packt an, hilft.

Linda Heinrichkeit, 28, ist Volontärin der WAZ. Sie ist im Alfried-Krupp-Krankenhaus geboren, in Kettwig aufgewachsen, hat in München Abitur gemacht und studiert. Nach der Geburt ihres Sohnes 2012 kam sie zurück nach Essen und lebt mit ihren beiden Kindern und ihrem Freund in Rüttenscheid.
Linda Heinrichkeit, 28, ist Volontärin der WAZ. Sie ist im Alfried-Krupp-Krankenhaus geboren, in Kettwig aufgewachsen, hat in München Abitur gemacht und studiert. Nach der Geburt ihres Sohnes 2012 kam sie zurück nach Essen und lebt mit ihren beiden Kindern und ihrem Freund in Rüttenscheid. © Picture People | Unbekannt

Wie 51 Prozent der Essener nach einer Umfrage der Europäischen Kommission „sehr zufrieden“ mit dem Leben in ihrer Stadt sein können, fragen sich die, die nicht von hier kommen. Dabei ist klar: Die Essener machen sich gegenseitig glücklich. Im Fußballverein, beim Grillen an der Ruhr, in der Kneipe an der Ecke. Wir Essener messen unser Glück nicht an den historischen Gebäuden um uns herum, nicht an der Kultur in unseren Theatern, nicht an der Wasserqualität des Baldeneysees. Wir messen es im Herzen, an der Empathie unserer Nachbarn. Und während wir uns oft hinter Bescheidenheit verstecken, wirkt der Münchner eher hochmütig. Wenn er dann ins Ruhrgebiet kommt, staunt er: „Hier ist es ja richtig grün.“

Ja, hier im Ruhrgebiet wird der weiße Kragen am Sonntag nicht mehr schwarz vom Ruß in der Luft, wie es mir mein Vater noch aus seiner Kindheit erzählt. Auch wenn ihr es südlich des Weißwurstäquators kaum glauben könnt: Dat Leben hier, dat is’ dat Schönste vonne Welt.