Essen. Jugendbuch aus den 1970ern plädiert in der Casa des Schauspiels für mehr Frechheit und Nonkonformität im (Kinder-)Leben. Konrad heißt der  Bühnen-Held.

Eigentlich müsste dieser Konrad inzwischen ein ziemlich gesettelter Bursche sein. Mit Anfang 40 längst im Familienvateralter, groß geworden in Literatur- und Theaterkreisen. Aber eben auch ein Kind der 68er-Generation. Die österreichische Autorin Christine Nöstlinger hat ihr Buch „Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse“ 1975 eben auch als Plädoyer gegen Spießertum und als Votum für mehr Frechheit, unkonventionelle Erziehungsmethoden und neue Familienmodelle geschrieben.

Und so kommt Konrad nicht zu Unzeiten zurück auf die Casa-Bühne des Schauspiel Essen. Seit Helikopter-Eltern Kinderkarrieren planen, Turbo-Abi und G8-Stress die Schlagzeilen bestimmen, kommt ein wenig Erziehungs-Anarchie auf der Bühne gar nicht schlecht. Denn in Sachen Disziplin und Leistungsdenken ist Konrad nach Ansicht von Regisseur Henner Kallmeyer „ein sehr heutiges Kind“. Der 42-jährige Theatermann ist aber auch in anderer Hinsicht fasziniert von der Weitsichtigkeit der Autorin, die ihre Geschichten wie die von Konrad oder von der „feuerroten Friederike“ im Kontext der antiautoritären Bewegung schrieb.

Zeitreise zwischen Kindheit und Vatersein

Da wäre zunächst einmal die bestellfreudige Frau Bartolotti, die uns in heutigen Amazon-Zeiten extrem zeitgemäß vorkommt. Und dann ist da auch noch das Thema Katalog-Kind, das Nöstlinger lange vor pränataler Diagnostik und In-Vitro-Behandlung auf ihre Art und Weise durchspielt. Konrad wird Frau Bartolotti schließlich in einer riesigen Konserve angeliefert. Ordentlich verpackt und in der Fabrik auf Musterknabe programmiert – immer höflich, ehrlich, wohlerzogen. Ein Horror für emanzipierte 68er-Figuren wie Frau Bartolotti, die dem Buben das Bravsein austreiben will. Zumal eines Tages die wahren Bestell-Eltern auf der Matte stehen. Um den längst liebgewonnenen Konrad zu behalten, hilft nur eines: Der Junge muss ein richtig frecher Bengel werden! Da hilft auch Nachbar, Apotheker und Gelegenheitsfreund Egon gerne.

Infos zum Stück

„Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse“ hat am Samstag, 30. April, 15 Uhr in der Casa Premiere. Silvia Weiskopf spielt den siebenjährigen Jungen Konrad, in weiteren Rollen sind Ingrid Domann, Thomas Büchel und Rezo Tschchikwischwili zu erleben.

Für die Bühne zeichnet Franziska Gebhardt verantwortlich, die Kostüme hat Anne Koltermann entworfen. Weitere Vorstellungen am 5., 13., 19., 29. Mai. Außerdem steht das Stück am 11., 22., 23. Juni auf dem Spielplan. Karten unter 8122-200.

Und so darf in der Casa ab dem 30. April auch mal mit dem Fuß gestampft werden und Spinat auf die Blümchentapete fliegen. Und das Telefon hat noch eine Wählscheibe, soviel Nostalgie darf sein. Für Kallmeyer ist das Stück jedenfalls eine Zeitreise zwischen eigener Kindheit und dem heutigem Vatersein. Seine fünfjährige Tochter hat schon begeistert probegeguckt. Und auch die Paten-Klasse, die die Proben begleitet, ist ganz auf Seiten des „Helden“ Konrad, den in Essen eine Frau spielt. Silvia Weiskopf steigt nach „Peter Pan“ und „Caspar Hauser“ wieder in Hosen. Keine Masche, für Kallmeyer ist sie vor allem eine besonders begabte Schauspielerin, die es beherrscht, „auf der Bühne fragen zu stellen, ohne es zu spielen. Eine wirklich seltene Gabe“. Und so wird auf der Bühne in den nächsten Tagen noch mal ordentlich Ungehorsam geprobt. Frechsein ist in diesem Stück schließlich erste Künstler-Pflicht.