Essen. „Das beste aller möglichen Leben“ in der Casa des Schauspiel Essen: Im Zeitraffer geht es um Gott, Gewalt und die Frage nach dem Sinn

Dass Kinder zu schnell groß werden, ist eine Binsenweisheit. Aber das, was Naomi und East eines Tages erleben, sprengt alle Vorstellungskraft. Denn das Findelkind, das da eines Morgens in ihrer Küche landet, wächst in Minutenschnelle zu einem Riesenbaby heran, eine unheimliche Welterforschungs- und Illusions-Zerstörungs-Maschine. Kaum auf der Welt, schüttet es literweise Kaffee in sich hinein, raucht Zigaretten, schreibt einen Gottesbeweis und Gedichte. Und als das Wesen nach zwei Stunden Intensiv-Dasein von der Bühne abtritt, ist bei Naomi und East nichts mehr wie zuvor.

Der amerikanische Autor Noah Haidle hat aus „Das Beste aller möglichen Leben“ eine Evolutions-Geschichte im Schnelldurchlauf gemacht: eine komische, surreale, pechschwarze Komödie, die die großen Themen wie Liebe, Tod und Lebenssinn mit tragikomischem Ton und einer gewissen Beckett-Nähe verhandelt. Der Autor hat mit „Lucky Happiness Golden Express“ und zuletzt mit „Skin Deep Song“ bereits zweimal erfolgreich auf dem Spielplan des Schauspiel Essen gestanden. „Die archaische Wucht von ,Skin Deep Song’ hat das Stück auch“, zeigt sich Regisseur Thomas Krupa überzeugt, der Haidle 2009 das erste Mal überhaupt in Deutschland inszeniert hat und die jüngste Haidle-Uraufführung an diesem Freitag in der Casa des Schauspiel Essen zeigt.

"Die Figur wird zum Spiegel der Situation dieses Paare"

Das Drei-Personen-Stück passt dabei zum neuen Spielzeit-Schwerpunkt, der sich um innere wie äußere Werte und die Optimierung des Daseins dreht. Doch in „Das beste aller möglichen Leben“ erlebt man zunächst Menschen, die schon einen gewaltigen Anstoß brauchen, um aus ihrer Unbeweglichkeit und Unzufriedenheit vielleicht doch noch einmal auszubrechen. Naomi, die unzufriedene Hausfrau und East, ihr bequemer Partner, sind beruflich wie privat in Routine erstarrt. Ans Kinderkriegen haben sie auch schon mal gedacht. Aber dann kommt plötzlich dieses sonderbare Wesen in die Welt, das sie in aller Eile Christopher nennen und mit dem sie im Zeitraffer rasch all die großen Fragen zwischen Leben und Tod diskutieren. Dann überschlagen sich die Ereignisse, folgen Drogen, Demütigung und Vergewaltigung, denn aus dem Kleinen wird ein echter Familien-Terrorist. „Die Figur wird zum Spiegel der Situation dieses Paare“, erklärt Krupa, doch der Prozess der Selbsterkenntnis fällt äußerst schmerzhaft aus.

Das Stück

Für die Uraufführung von „Das beste aller möglichen Leben“ am heutigen Freitag, 2. Oktober, 19 Uhr, gibt es noch Restkarten.

Weitere Termine: 11., 21. und 30. Oktober, 13./14. November. Karten: 8122-200.

Stefanie Schönfeld übernimmt die Rolle der Naomi, Marcus Staab spielt den East, Stefan Diekmann ist das schnell wachsende Wesen Christopher.

Für die Schauspieler ist das Stück auch eine körperliche Extrem-Herausforderung, denn sie sind auf der fast leeren Bühne ganz auf sich geworfen. Jedweder Küchenrealismus wäre für Krupa undenkbar, der nach längerer Zeit neben der Regie auch wieder einmal die Bühnenausstattung übernommen hat. Seine Inszenierung will vor allem mit Farben spielen und mit der großen Spiellust des Ensembles: „In diesem Stück muss man einfach Vollgas geben.“