Essen. Das Museum Folkwang wird zum Abenteuerort für Entdecker: Sammler Thomas Olbricht zeigt „Gediegenes und Kurioses“. Gereon Krebber entwickelt „Antikörper“.

Für viele ist das Museum heute vor allem Ort der kulturellen Bildung und ästhetischen Ertüchtigung. Dass ein Museum aber auch Platz zum Staunen, Raunen und Entdecken bieten kann, das zeigt das Museum Folkwang nun mit zwei außergewöhnlichen Projekten, die neue Wahrnehmungsräume eröffnen und ungewohnte Seh-Abenteuer versprechen.

Mit dem Essener Sammler Thomas Olbricht und dem aus Oberhausen stammenden Künstler Gereon Krebber treffen dabei zwei unterschiedliche Positionen aufeinander, die doch manches verbindet. Wer gleich im Eingangsbereich auf Krebbers „Thyseter“ stößt, den wie ein riesiger, schon leicht verrotteter Walschwanz abgelegter „Antikörper“ im Innenhof des Chipperfield-Baus, der trifft ein paar Schritte weiter auf einen ausgestopften weißen Pfauen, auf ein Leoparden-Präparat und den Hals der Giraffe.

Schwimmende Wunderkammer

Willkommen in der Wunderkammer des Essener Sammlers Thomas Olbricht! Dort finden sich afrikanische Masken neben Elfenbeinkunst, edle Bronzen von Ewald Mataré neben einer Ansammlung von Seeigeln, menschliche Trophäenschädel aus Peru neben dem Goldkreuz von Gerhard Richter, zierliche Fernsehturmmodelle neben Thomas Schüttes Roboter und ein Korallenkruzifix in direkter Nachbarschaft der Märklin Modelleisenbahn. Insgesamt 400 Stücke seiner Sammlung hat Olbricht in den 190 goldglänzenden Waben des Helms des kubanischen Duos „Los Carpinteros“ ausgestellt. Eine Schatztruhe für lauter Schätze, ein Kunstwerk, das „Gediegenes und Kurioses“ buchstäblich unter einen Hut bringt. „Es soll eine Abenteuerreise für den Besucher sein“, sagt Olbricht, der leidenschaftliche Sammler, der sich in diesem Fall auch als „Generalkünstler“ sieht und zusammenbringt, was im klassischen Ausstellungsbetrieb nicht unbedingt zusammengehört.

Als wäre ein Wal im Innenhof des Museum Folkwang gestrandet: „Thyseter“ heißt die mächtige Arbeit von Gereon Krebber aus der Reihe „Antikörper“.
Als wäre ein Wal im Innenhof des Museum Folkwang gestrandet: „Thyseter“ heißt die mächtige Arbeit von Gereon Krebber aus der Reihe „Antikörper“. © Essen

Kunst und Kitsch, Wundersames und Zeitgenössisches. Olbricht will damit auch ausprobieren, „wie man in der heutigen Zeit im Museum näher an die Dinge herankommt“. Dass er damit das junge Publikum begeistert, beweist sein Berliner Museum „Collectors Room“, wo Grundschüler regelmäßig die vielfältigen Schätze der Olbricht-Sammlung bestaunen. Ab April schickt er sogar eine schwimmende Wunderkammer zu den Schulen in Brandenburg. „Die Kinder kommen aufs Schiff und werden mit Kunst vertraut gemacht.“ Aus der barocken Wunderkammer-Idee, die Macht und Reichtum, aber auch Wissen und Weltanschauung repräsentierte, ist so ein Breitenprojekt geworden. In Essen sogar bei freiem Eintritt.

Wie „pervertierte Zierbecken“

Und während die einen die Schwellen weiter abbauen, zieht Gereon Krebber vergnügt ein paar Stolperstellen und Wahrnehmungshürden ein. Setzt eine Art verlängerte Fußleiste vor den Zugang zum Museumsshop und stellt ein Trennstück aus Styropor und Bitumen mitten in den Gang. Dazu hat Krebber den Kassenbereich mit einem an der Decke baumelnden Damoklesschwert bestückt, das nun wie eine karikierende Verkehrung der Willkommensgeste wirkt.

Informationen zur Ausstellung

„Gediegenes und Kurioses. Aus der Sammlung Olbricht“ ist bis zum 30. Oktober im Helm von Los Carpinteros zu sehen. Der Eintritt ist frei.

„Antikörper/OTC“ von Gereon Krebber bespielt das Haus bis zum 24. Juli. Eine Kuratorenführung mit Hans-Jürgen Lechtreck ist am 3. Juni, 18 Uhr, terminiert. „Meet The Artist“ heißt es am 5. Juni, 11-18 Uhr.

Den zentralen Lichthof hat er mit drei Becken aus Aluminium bebaut, die man, O-Ton Krebber, als „pervertierte Zierbecken“ aber auch als Zugänge in eine geheime Museums-Unterwelt deuten kann. Fast zwei Jahre lang hat sich der Cragg-Schüler mit der edlen, großen, kühlen Chipperfield-Architektur beschäftigt und seine skulpturalen Interventionen geschickt entwickelt. Irritation, Selbstironie und ein Rest von Unberechenbarkeit machen ein Museum eben auch zum Abenteuerort.