Essen. Museum Folkwang zeigt Theater-Plakate von Helmut Rottke und Reinhold Scheer. Sie rückten Bühnen von Essen bis Düsseldorf werbewirksam ins Bild.

„Theater, da weiß man nicht, was man hat“, lautet einer der abgewandelten Slogans des Grafikers Helmut Rottke und seines Kompagnons und Texters Reinhold Scheer. Und ausgerechnet für so ein unberechenbares und erhabenes Medium soll man Werbung machen, profane Produktwerbung gar? Rottke und Scheer, die mit ihrer Düsseldorfer Agentur in den 1980ern bereits viele erfolgreiche Kampagnen entwickelt hatten, fanden es irgendwann an der Zeit, für die hehre Kunst keine anderen Maßstäbe anzulegen als für Zahnpasta und Automobile. „Die beiden waren der Ansicht, dass so ein Plakat auch ohne spezifisches Hintergrundwissen funktionieren muss“, erklärt René Grohnert, Leiter des Deutschen Plakatmuseums. Schließlich sollen sich auch Leute angesprochen werden, die eben keine eingeschworenen Theatergänger sind. Unter dem Titel „Theater als Produkt“ sind Rottke und Scheers bahnbrechende Arbeiten, die inzwischen auch zum Bestand des hiesigen Plakatmuseums gehören, nun im Museum Folkwang zu sehen.

Theater als bloßes Produkt – das Werbe-Credo sorgte zunächst für Naserümpfen bei den Kollegen, tiefe Skepsis bei den Intendanten und Dramaturgen, die sich darum sorgten, ob so denn auch genug Inhalt vermittelt würde! Was verstehen Werber schließlich vom Theater? Rottke und Scheer antworten mit einer enormen Kreativität, der individuellen Sprache eines jeden Entwurfs und intelligenter Publikums-Provokation: „Fast 400 Jahre Hamlet, und Sie kennen immer noch nur dieses eine Zitat?“ lautete in der Spielzeit 1988/89 beipielsweise die Einladung, das Staatstheater Stuttgart zu besuchen. Viele, teils national und international ausgezeichnete Arbeiten folgten, ihre Plakate wurden in Tokyo, Paris, Barcelona und New York ausgestellt.

"Gelegenheit, Ihr Trauma zu korrigieren"

Auch viele Essener werden die Plakatkunst der Kreativen noch bestens in Erinnerung haben. „Lernen Sie bei uns, wie man Alltagsprobleme löst“ stand beispielsweise in den 1990ern über den entblößten Catcher-Körpern zweier Schauspieler, die sich mit Brecht beharkten. Die Plakate und Karten fanden große Beachtung. Ensemble und Theater waren in der Stadt extrem präsent.

Schön zu sehen ist das in einer kleinen Dia-Einspielung, die Rottke und Scheers Plakate in Raum und Zeit einordnet, mal als Sprechblase formuliert, mal in fetter Leuchtschrift hingesprüht: „Kultur, warum gerade ich?“ Gelegentlich warben die Plakate eben einfach nur für die Sache selber. „Sie mögen kein Theater, keine Oper, Tanz finden Sie zum Kotzen. Ab 30.9. haben Sie Gelegenheit, Ihr Trauma zu korrigieren“, stand da 1988 unterm jugendlichen Konterfei des heutigen Tatort-Kommissares und damaligen Wuppertaler Ensemblemitglieds Dietmar Bär. Die Ruhrfestspiele Recklinghausen und das Wuppertaler Tanztheater folgten. Die Initialzündung aber gab 1986 eine Carmen-Kampagne fürs Düsseldorfer Schauspielhaus. „Männer Düsseldorfs, verlasst eure Frauen und besucht Carmen“, lautete die Einladung. Die Werbung schlug hohe Wellen. Und jede Vorstellung war ausverkauft!