Essen. . Rathaus weist Sportbund-Vorwürfe zurück. Kenner beklagen mangelnden Mut, Verantwortung zu übernehmen. Zwei geschlossene Bäder als Asyl in Prüfung.
- Espo: Mit dem Rückgriff auf Sporthallen macht es sich die Stadt zu leicht.
- Stadt widerspricht: Umbau ist oft nicht kurzfristig möglich oder schlicht zu teuer
- Alte LVR-Klinik dient Kritikern als Beweis: Manches geht am Ende doch
Die Decken? Bitte frisch gestrichen. Ein Kellerraum sollte schon sein, dazu möglichst Anschlüsse für Kabel- oder Satelliten-TV und die Raufaser-Tapeten noch mindestens zwei Mal überstreichbar. – Wer auf der im Internet veröffentlichten Checkliste nachliest, welche Standards die Stadt für die Anmietung von Flüchtlings-Wohnungen eingezogen hat, staunt nicht schlecht.
Ist das die Alternative zum Leben in Containern und Zeltdörfern? Und wenn ja: Steht die Stadt sich bei der Suche nach neuen Asyl-Unterkünften durch zu hohe Ansprüche selbst im Wege?
Der Essener Sportbund (Espo) hat genau diesen Verdacht in einem Brief an Oberbürgermeister Thomas Kufen geäußert (wir berichteten): „Wir haben den Eindruck, dass die Stadt trotz des erheblichen Handlungsdrucks immer noch an hohen Standards festhält.“ So würde die Nutzung mancher leerstehender Immobilie verhindert – mit der Folge, dass man am Ende womöglich auf Sporthallen zurückgreifen muss.
"Keiner ist mehr mutig"
Aus dem Rathaus kommt dagegen Widerspruch: „Nein, die städtischen Standards liegen nicht zu hoch“, hieß es gestern rundheraus. Wenn man in der Vergangenheit Vorschläge des Sport-Dachverbands abgelehnt habe, dann aus gutem Grund: weil die jeweilige Immobilie nicht kurzfristig zur Verfügung stand oder „eine Umsetzung zu teuer wäre“. Genau das ist der Knackpunkt: zu teuer, wegen der Standards?
Womöglich, so bekennt einer der Beteiligten, der nicht genannt werden will, liegt die Sache so: Manchen Standard könnte man durchaus stutzen, wenn sich nur alle Stellen auf eine gemeinsame Linie verständigten. „Es muss einen geben, der sagt: Ich übernehme die Verantwortung“, die Bereitschaft dazu aber sei seit der Loveparade-Katastrophe in Duisburg in Verwaltungen nicht mehr sonderlich ausgeprägt: „Keiner ist mehr mutig, weil er glaubt, dass die anderen auch nicht mutig sind.“
In der Praxis verschwömmen dann die mutlosen Entscheidungen mit der fachlichen Erkenntnis schlicht unzumutbarer Wohnzustände. Im ehemaligen Katastrophenschutzzentrum an der Seumannstraße etwa könne man keinen Menschen mehr hineinschicken, „da macht es sich mancher, der von Bauen nicht so viel versteht, schlicht zu einfach“.
Hunderttausende Euro in den Brandschutz investiert
Es gibt aber auch Gegenbeispiele. Lange winkte die Stadt bei der einstigen LVR-Klinik an der Barkhovenallee in Heidhausen ab: als Asyl nicht brauchbar. Die Politik ließ nicht locker, prockelte über Monate, der Druck stieg, und siehe da: Plötzlich ging es doch.
Andernorts, so hört man, habe die Stadt sich selber ein Bein gestellt: Wer den Menschen über Monate gepredigt hat, wie dringend aus Brandschutzgründen ein Auszug aus dem alten Hauptbad sei, der könne nicht ein Jahr später just dort Flüchtlinge unterbringen. Oder doch?
Immerhin hatte die Stadt noch kurz vor der Schließung hunderttausende Euro in den Brandschutz investiert. Und ließ gestern mitteilen, dass man das geschlossene Hauptbad nun genauso auf seine Asyl-Eignung prüft wie das vor Monaten dicht gemachte Bad am Südpark in Kray. Ende offen. Steine und Zement, um die Türen zuzumauern, liegen schon bereit.