Essen. Beim Essener Geno-Talk steckte Ratsherr Guido Reil für sein „Wir schaffen das nicht“ in der Flüchtlingsfrage auch von Sozialdezernent Peter Renzel starke Kritik ein.

  • Polizeipräsident Richter beim Geno-Talk: „Hauptproblem sind Zeltstätte. 15 Prozent mehr Einsätze“
  • „Stimmung in der Bevölkerung ist gekippt, es gibt viel subjektives Unsicherheitsgefühl“, so Richter
  • Renzel zu Reil: „Diese Haltung von ,Wir sind jetzt voll’ ärgert mich ziemlich“

Mit seinem „Wir schaffen das nicht“ angesichts des Flüchtlingsstroms hatte SPD-Ratsherr Guido Reil vor rund zwei Monaten in einem Interview mit dieser Zeitung eine Welle von Reaktionen hervorgerufen. „Schaffen wir das?“, stellte nun der Gastgeber Wulf Mämpel beim Geno-Talk mit illustrer Runde die Gretchenfrage. Dass Reil bei der Diskussion auf dem heißen Stuhl saß, wundert wenig.

Denn ein „Nein“ können sich Funktionsträger wie Polizeipräsident Frank Richter, Stadtsuperintendentin Marion Greve, Sozialdezernent Peter Renzel oder der Caritas-Direktor Björn Enno Hermans wohl kaum leisten. Doch dass der ungebremste Zustrom Hilfesuchender die Essener Entscheidungsträger vor ernst zu nehmende Probleme stellt, das wurde durchaus offen angesprochen.

Polizeipräsident Richter: „Das Hauptproblem sind die Zeltstätte“

Auch interessant

So vom Polizeipräsidenten Richter. „Das Hauptproblem sind die Zeltstätte. Wir haben 15 Prozent mehr Einsätze, allerdings nicht immer in Verbindung mit einer Straftat. Das ist für uns eine ungeheure Belastung“, stellte Richter fest: „Meine Mitarbeiter machen Überstunden auf Überstunden und haben auch einmal ein Recht auf ein freies Wochenende“, gewährte er Einblicke in den Arbeitsalltag. 200 Beamte mehr in seinem Polizeipräsidium Essen/Mülheim, so sagte er, würde er sicher nicht ablehnen. „Ich kann nur so viel Sicherheit produzieren, wie ich Zeit habe“, sprach er die Lage an, in der sich sein Haus nach den Ereignissen der Silvesternacht in Köln befindet. „Die Stimmung in der Bevölkerung ist gekippt, es gibt viel subjektives Unsicherheitsgefühl“, berichtete Richter. Also doch ein „Schaffen wir Nicht“? Keinesfalls, Richter unterstrich, dass Essen zu den sichersten Großstädten in ganz Deutschland gehöre.

„Eine Generation lang geförderten Wohnungsbau“

SPD-Ratsherr Guido Reil beim Geno-Talk.
SPD-Ratsherr Guido Reil beim Geno-Talk. © Stefan Arend

Bleibt das auch so? Ratsherr Guido Reil ist da wenig optimistisch. „Wenn wir so weitermachen, wird es nicht funktionieren“, wiederholte er den Satz, der ihm viel Schelte, aber auch Lob, eingebracht hatte und führte aus: „Ins Ruhrgebiet kommen die meisten Flüchtlinge. Dabei haben wir viele arme Menschen, eine extrem hohe Arbeitslosenquote, sehr viele Migranten und Kommunen, die Pleite sind“, zählte er auf. Klar habe man in den vergangenen Jahrzehnten viel in Sachen Integration geschafft. Doch nun fehle der entscheidende Faktor: Arbeitsplätze.

Essens Sozialdezernent Peter Renzel.
Essens Sozialdezernent Peter Renzel. © Stefan Arend

Da wurde Sozialdezernent Peter Renzel auf seinem Stuhl unruhig. „Diese Haltung von ,Wir sind jetzt voll’ ärgert mich ziemlich. Wer soll damit gemeint sein? Wir haben in Altenessen, Karnap oder der Stadtmitte zahlreiche Menschen, die top integriert sind“, hielt er dagegen: „Diese lösungslosen Behauptungen sind nicht in Ordnung.“ Daran knüpfte auch Caritas-Direktor Hermans an: „Was ist denn die Alternative zu einem: Ja, wir wollen?“, fragte er

Auch interessant

Was auf die Stadt tatsächlich zukommt, sprach Dezernent Renzel an: „Wenn es so weitergeht, haben wir nicht erst 2020 in Essen 600 000 Einwohner. Wir werden eine Generation lang geförderten Wohnungsbau betreiben müssen“, schätzte er den zukünftigen zusätzlichen Bedarf auf bis zu 18.000 neue Wohnungen. Und die sollten auch dort gebaut werden, wo Investoren sonst große Rendite machen, nämlich im Süden. Und damit dürfte er mit dem Karnaper Guido Reil wieder ziemlich einer Meinung sein.