Essen. . Gelungene Integration: Safwat Raslan flüchtete nach Essen. Inzwischen hat der Syrer einen Job bei der Deutschen Bank und räumt mit Klischees auf.

  • Familie Raslan ist nach Deutschland geflüchtet, die Kinder gehen in die erste und dritte Klasse
  • Safwat Raslan (35) berichtet in Steele seine Geschichte in der Friedenskirche
  • Ab März arbeitet er bei der Deutschen Bank in Essen. Gleichzeitig engagiert er sich als Übersetzer in einer Flüchtlingsunterkunft

Die Entscheidung, aus seiner Heimatstadt Aleppo wegzugehen, traf Safwat Raslan an einem Tag im Jahr 2014. Der Minibus, mit dem seine kleine Tochter jeden Morgen zur Schule fuhr, wurde von Scharfschützen beschossen, eine Lehrerin starb. An diesem Morgen saß Safwat Raslans Tochter nicht im Bus, sie hatte Glück.

Anderthalb Jahre sind seitdem vergangen, die Familie Raslan ist nach Deutschland geflüchtet und lebt inzwischen in einer Wohnung im Hörsterfeld, die Kinder gehen in die erste und dritte Klasse. Den Menschen hier möchte Safwat Raslan erzählen von seiner Heimat, von der Toleranz der Menschen in Syrien, als noch kein Krieg herrschte, von den unschätzbaren Kulturgütern. Seit vergangenem Juni lernt er in Essen Deutsch, und in dieser Sprache erzählte der 35-Jährige am Donnerstagabend in der gut gefüllten Friedenskirche in Steele auch seine Geschichte.

Safwat Raslan studierte in Aleppo, der zweitgrößten Stadt Syriens, Wirtschaftswissenschaften, arbeitete in verschiedenen Banken und war zuletzt Filialleiter in Aleppo. Im Ruhrgebiet erhielt er nun die Chance, ein Praktikum bei der Volksbank Oberhausen zu absolvieren. „Und ab 1. März arbeite ich bei der Deutschen Bank in Essen“, berichtet er, stolz darüber, hier eine Stelle gefunden zu haben. Gleichzeitig engagiert er sich als Übersetzer in der Flüchtlingsunterkunft am Pläßweidenweg in Horst.

Bedrückende Bilder aus der Zeit des Krieges

Die Bilder und Videos, die Safwat Raslan aus Syrien mitgebracht hat, zeigen ein Land mit zahlreichen geschichtsträchtigen Gebäuden und antiken Stätten. Die Umayyaden-Moschee in Damaskus ist eine der ältesten Moscheen der Welt, in Aleppo liegt das weltgrößte überdachte alte Marktviertel - die verschiedenen Gänge sind insgesamt 15 Kilometer lang. Im Ort Maaloula sprechen die Menschen noch Aramäisch, die Sprache, in der Jesus gesprochen haben soll. Doch vieles ist durch den Krieg vernichtet, auch die antike Oasenstadt Palmyra ist durch die Zerstörungswut des IS zu trauriger Berühmtheit gelangt.

Safwat Raslan lässt bei seinem Vortrag auch bedrückende Bilder aus der Zeit des Krieges vorbeiziehen: graue Straßen, zerbombte Häuser, ausgebrannte Autos, trauernde Menschen. Er erzählt, wie er seinen getöteten Vater sechs Stunden lang auf einem Handkarren durch Aleppo fährt, um ihn auf dem Friedhof im Osten der Stadt beerdigen zu können. Die Stadt wird zwischendurch belagert, es gibt tagelang kein Essen, kein Wasser, keinen Strom, kein Öl. Am schlimmsten aber seien die Scharfschützen gewesen, erinnert er sich. Manche Straßen habe man deswegen überhaupt nicht mehr passieren können.

Auf die friedliche Koexistenz von Muslimen und Christen in Syrien hinzuweisen, ist Safwat Raslan ein ganz besonderes Anliegen. Er berichtet von den Betriebsfeiern seiner Bank, bei denen Christen und Muslime ganz selbstverständlich gemeinsam am Tisch saßen. „Wir haben immer ohne Probleme zusammengelebt“, betont der 35-jährige Muslim. Dann folgen beeindruckende Bilder von der Weihnachtsbeleuchtung in Aleppo und von großen geschmückten Christbäumen mitten in der Stadt.

Die Christen von Aleppo

„Zehn Prozent der Menschen in Aleppo und seinen Vororten sind Christen“, so Raslan. „Dort leben sechs Millionen Menschen, also sind es rund 600.000 Christen. Etwa so viele, wie Essen Einwohner hat.“ Eine Information unter vielen, die manchen Zuschauer überrascht. Und lächelnd fügt Safwat Raslan hinzu: „Ich wurde hier in Deutschland einmal gefragt, ob wir in Syrien Autos haben oder nur Pferde. Ich dachte, das sollte ein Scherz sein. Aber es war keiner.“

Warum er geflohen ist, wird Safwat Raslan am Ende der Veranstaltung schließlich gefragt. „Ich habe es für meine Kinder getan“, sagt er, ohne zu zögern. „Wenn ich allein gewesen wäre, wäre ich vielleicht in Aleppo geblieben. Aber Kinder sind die Zukunft.“ Seinen Vortrag beendet der 35-Jährige mit dem Satz: „Wir haben alles verloren. Aber unsere Träume behalten wir trotzdem immer noch.“

Sein Traum ist es, wieder eine verantwortungsvolle Stelle in einer Bank zu haben. Er ist auf einem guten Weg dorthin.