Essen. Christoph Roos inszeniert „Top Dogs“ im Grillo-Theater. Das 1996 uraufgeführte Stück über arbeitslose Führungskräfte hat nichts an Brisanz verloren
Für die Manager am Rande des Wohlstandseinbruchs ist der Abstieg zumindest weich gefedert. Im watteweiß ausgekleideten Wohlfühl-Bühnenraum des Grillo-Theaters werden die geschassten Leistungsträger ab Freitag auf ihre Wiedereingliederung ins Berufsleben hin trainiert. „Top Dogs“ heißt die 1996 in Zürich uraufgeführte Komödie über die traurigen Helden der Ökonomie und ihre zerplatzten Träume.
Der 2014 verstorbene Schweizer Autor Urs Widmer hat den Abstieg der New Economy-Karrieristen darin schon ausgemalt, bevor die Lehman Brothers zum Synonym des Zusammenbrechens der Finanzmärkte wurden. Und bis heute sind die „Tops Dogs“, 1997 unter anderem mit dem Mülheimer Dramatikerpreis bedacht, immer noch die erste Wahl, wenn am vermeintlich schönen Glanz des Kapitalismus gekratzt wird.
Auch nach 20 Jahren für ein treffendes Stück
Im Schauspiel Essen inszeniert Christoph Roos dieses inzwischen vielfach inszenierte, moderne Königsdrama, das arbeitslos gewordene Manager, Ingenieure, Bänker beim Training für die künftige Weiterbeschäftigung beobachtet. New Challenge Company heißt das auf der Bühne im schönsten Euphemismus.
Die Outplacement-Agentur soll helfen, die Kränkung der Kündigung am Ende wieder in eine Erfolgsstory zu verwandeln: vom Freisetzer zum Freigesetzten, der das Scheitern nun als Möglichkeit zur Optimierung der eigenen beruflichen Laufbahn begreifen soll, während der neue Porsche in der Garage plötzlich zum lästigen Bremsklotz dieser ungeplanten Neuausrichtung wird.
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Regisseur Roos, zuletzt als Spezialist für großes Romantheater mit „Faust I und II“ und den „Buddenbrooks“ in Essen erfolgreich, hält „Top Dogs“ auch nach 20 Jahren für ein treffendes Stück. „Das Tolle an „Top Dogs“ ist ja, dass es nie als abgeschlossenes Stück gedacht war, sondern immer die Einladung bestand, es an den Ort und die Rahmenbedingungen anzupassen.“ Auch sprachlich hat Roos einige Überarbeitungen vorgenommen.
Eine Aneinanderreihung von Business-Englisch-Worthülsen als Schlagwort-Stakkato der Erfolgsterminologie wurde beispielsweise gestrichen, „weil einem der größte Teil der Wörter heute gar nicht mehr fremd vorkommt“, sagt Roos. Unterm Strich sei es ohnehin „erschreckend, wenn man 20 Jahre später den Eindruck hat: Es hat sich nichts verändert. Und ein bestimmter Typus, um den es hier geht, erscheint einem heute noch aktuell.“
Verdrängungsrituale, Ausraster und Attacken
Dabei ist es nicht die Kaste der Ackermänner, die hier mit einer dicken Abfindung noch Hause geschickt wird. Auf der Bühne stehen Hanspeter Müller und E. Heinrich Krause, die plötzlich nicht nur um das Appartement auf Sylt bangen, sondern auch um ihren Status, ihre Ehen, die Existenz überhaupt.
Verdrängungsrituale, Ausraster, Attacken bringen den Menschen hinter der Managerfassade zum Vorschein, lassen Ängste, Sehnsüchte, Träume durchscheinen. „Aber wir wollen kein Mitleidsstück machen, darum geht’s nicht“, erklärt Roos. „Ich möchte lieber anhand dieser Menschen und ihrer Situation die Absurdität des Systems zeigen.“ Gleichwohl sei „Top Dogs“ eine Komödie mit satirischem Biss, Ironie und Humor, „keine Frontalattacke auf den Kapitalismus.“