Essen. 2015/16 beschäftigt sich das Schauspiel Essen mit der Frage, worauf es im Leben ankommt. 13 Neuinszenierungen: von Frankenstein bis „My Fair Lady“.

Gesundheit, Schönheit, Reichtum, Glück. Wer das Leben in seiner Idealform sucht, der ist in der kommenden Spielzeit im Schauspiel Essen ganz richtig. Denn da wird hinter all dem Optimierungswahn und Perfektionsdrang erst mal ein Fragezeichen gesetzt. „Werte zählen“ in der neuen Spielzeit auf Essens Theater-Bühnen. Welche das sind, das wird in 13 Neuinszenierungen untersucht – von der „Frankenstein“-Bearbeitung bis zum Kinderstück über Körperkult.

Schauerroman von heute

„Theater relevant zu halten“, das bleibt erklärte Absicht von Intendant Christian Tombeil, der die nächste Spielzeit allerdings ein wenig unterhaltsamer angeht. Mit bislang 82,4 Prozent Auslastung belegt das Schauspiel allerdings seine Beliebtheit beim Publikum, auch wenn es zuletzt eine recht „dunkle Spielzeit“ mit vielen politischen, historischen, zeitkritischen Themen gab – von Volker Löschs Sinti--Roma-Auseinandersetzung „Die Odyssee“ bis zur Erste Weltkriegs-Thematisierung „Eine Jugend in Deutschland“. „Es war vielleicht ein bisschen viel, aber es ist halt alles zusammengekommen“, resümiert der Schauspiel-Chef. In der neuen Spielzeit wird es dafür ein wenig „klassischer“. Mit Schiller, Brecht und dem immergrünsten Musical: „My Fair Lady“.

Eine der zwölf Wiederaufnahmen im Spielplan: „Cabaret“ mit Jan Pröhl und den Kit-Kat-Boys and -Girls
Eine der zwölf Wiederaufnahmen im Spielplan: „Cabaret“ mit Jan Pröhl und den Kit-Kat-Boys and -Girls © Birgit Hupfeld

Der Spielzeit-Auftakt gehört einem klassischen Monster-Macher: Frankenstein. Nick Dears hat den Schauerroman von Mary Shelley in eine zeitgemäße Fassung über Schöpfungswahn und menschliche Hybris gebracht. Gustav Rueb übernimmt die deutsche Erstaufführung. Hermann Schmidt-Rahmer holt seine eigentlich schon in dieser Spielzeit geplante Daten-Abrechnung nach. „Ich habe nichts zu verbergen – Mein Leben mit Big Data“ dürfte eine gewohnt engagierte, zugespitzte Beschäftigung mit unserer gläsernen Gesellschaft sein.

Bühnenhit "Kunst" kommt wieder

Und dann geht es einfach nur um ein weißes Bild. Die Komödie „Kunst“ von Yasmina Reza war vor 20 Jahren schon einmal ein Bühnenhit in Essen. Jetzt gibt man das Stück um Männerfreundschaft und Bilderwerte in die Hände von Anne Spaeter. Für die Begegnung mit Blumenmädchen Eliza Doolittle dürfte rechtzeitige Kartenreservierung schon jetzt empfohlen werden. Robert Gerloff inszeniert den Musical-Klassiker nach „Pygmalion“. Zeitlos geblieben sind auch die „Top Dogs“ von Urs Widmer aus den 1990ern. Regisseur Christoph Roos nimmt sich der gefallenen Aufsteiger an.

Wie viel Mitgefühl man sich noch leisten kann in einer auf Gewinn ausgerichteten Welt, diese Frage hat Bertolt Brecht schon in „Der gute Mensch von Sezuan“ beschäftigt. Moritz Peters inszeniert. Das Duell der starken Frauen dirigiert Anna Bergmann. Die gefragte Regisseurin zeigt Schillers „Maria Stuart“ zum Spielzeitfinale.

Kleinere Spielstätte, große Themen: „Das beste aller möglichen Leben“ sucht Noah Haidle in seinem Stück, das die Hauptfigur binnen Stunden vom Säugling zum existenziellen Sinnsucher werden lässt. „Caspar Hauser“ bekommt in der Casa ebenfalls ein neues Leben. Jana Milena Polasek hinterfragt mit dem Roman von Jakob Wassermann die Errungenschaften menschlicher Zivilisation.

Stücke handeln von Körperkult und Klon-Kindern

Das Kinder- und Jugendprogramm ist im Schauspiel Essen gewohnt vielseitig, wobei das traditionelle Weihnachtsstück diesmal schon ein alter Bekannter ist: „Anton, das Mäusemusical“ kehrt auf vielfachen Wunsch ins Grillo zurück.

Dem Mäuserennen folgt die Jagd nach optimaler Fitness und schlanker Form: Mit „Seymour oder Ich bin nur aus Versehen hier“ bereitet die in Essen geborene Autorin Anne Lepper das Thema Körperkult für jugendliche Zuschauer auf. Christine Nöstlingers Kinderbuch-Klassiker „Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse“ ist ein Plädoyer für Nonkonformität. Während „Die Kopien“ von Caryl Churchill das Thema Klonen auf spannende Art und Weise diskutieren. „Ein König zu viel“ setzt dem Thema Doppelgänger schließlich die Krone auf: Gertrud Pigors Theaterstreit für Zuschauer ab vier wird vom Intendanten inszeniert

Premieren-Übersicht der Spielzeit 2015/2016 

Frankenstein, Grillo-Theater, Regie Gustav Rueb, deutschsprachige Erstaufführung 19. September.

Das beste aller möglichen Leben, Casa, Regie: Thomas Krupa, Uraufführung: 2. Oktober.

Ich habe nichts zu verbergen – Mein Leben mit Big Data, Grillo-Theater, R: Hermann Schmidt-Rahmer, Uraufführung: 3. Oktober.

Kunst, Grillo-Theater, R: Anne Spaeter, P: 19. Oktober.

Anton, das Mäusemusical,Grillo-Theater, R: Christian Tombeil, Wiederaufnahme 15. November.

Caspar Hauser, Casa, R: Jana Milena Polasek, P: 4. Dezember.

Die Kopien, Box, R: Sarah Mehlfeld, P: 29. Januar

My Fair Lady, R: Robert Gerloff, musikalische Leitung: Hajo Wiesemann, P: 5. Dezember.

Seymour oder Ich bin nur aus Versehen hier, Casa, von Anne Lepper, P: 19. Februar.

Top Dogs, Grillo-Theater, R: Christoph Roos, P: 26. Februar.

Ein König zu viel, Box, R: Christian Tombeil, P: 16. April.

Der gute Mensch von Sezuan, Grillo-Theater, R: Moritz Peters, P: 26. April.

Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse, Casa, R: Henner Kallmeyer, P: 30. April.

Maria Stuart, Grillo-Theater, R: Anna Bergmann, P: 25. Juni.