Essen. Viele Essener wollen aus ihren Immobilienkreditverträge heraus und berufen sich auf falsche Widerrufsbelehrungen. Bald ist es damit vorbei.

Über Arbeitsmangel kann sich Vladimir Stamenković derzeit nicht beklagen. Der Essener Anwalt von der Kanzlei SH Rechtsanwälte ist einer von vielen Juristen, die Bankkunden helfen, aus ihren teuren Kreditverträgen herauszukommen.

Allein bei der Essener Kanzlei SH melden sich täglich zwischen 15 bis 20 Leute, die ihre Hauskreditverträge prüfen lassen wollen. Der Kniff ist immer der gleiche: Zwischen 2002 und 2010 haben Banken offenbar massenhaft Verträge mit fehlerhaften Widerrufsbelehrungen abgeschlossen. Stamenković schätzt aus den Erfahrungen der 500 Fälle, die allein seine Kanzlei bislang betreut hat, dass etwa 80 Prozent der damaligen Kreditverträge falsche Widerrufsbelehrungen enthalten. Kunden können diese Verträge mit Verweis darauf noch heute widerrufen und somit durchaus Tausende Euro sparen. Die Erfolgsaussichten seien recht gut, so Stamenković. Erst vor wenigen Wochen beispielsweise verbuchte er vor dem Landgericht einen Erfolg gegen die Sparkasse Essen. Die Widerrufsbelehrung stammte aus dem Jahr 2009 und habe u.a. überflüssige und verwirrende Fußnoten enthalten.

Für die Banken sind die fehlerhaften Belehrungen der Gau. Anfangs hätten sich die meisten Kreditinstitute auch in Essen häufig noch außergerichtlich mit den Kunden geeinigt, mittlerweile aber seien viele unnachgiebiger geworden. „Die Leute sollen so wohl davon abgebracht werden“, glaubt Stamenković. Denn dann bleibe ihnen nur der Klageweg. Den beschreiten die Essener dennoch zahlreich. Beim Landgericht gingen im vergangenen Jahr etwa 300 Verfahren ein. Im Januar und Februar kamen bereits 60 neue hinzu. Das sei schon eine beträchtliche Zahl, so ein Gerichtssprecher.

Frist läuft ab, wohl im Juni

In den kommenden Wochen könnten die Richter und Anwälte noch mehr Arbeit bekommen. Das Bundeskabinett hat eine Regelung beschlossen, die das „ewige Widerrufsrecht“ beenden soll. Am Donnerstagabend stimmte der Bundestag der Änderung zu. Verbrauchern blieben nach in Kraft treten dieser Regelung nur noch drei Monate Zeit, die Verträge anzufechten. Laut Anwälten läuft die Frist somit wohl bis 21. Juni. „Die Bankenlobby hat ihre Arbeit geleistet“, ätzt Stamenković über die Änderung, die die Verbraucherrechte elementar einschränke.

Der Rechtsweg ist für Bankkunden jedoch nicht ohne Risiko, sagt Matthias Schmidt, der als Honoraranwalt bei der Verbraucherzentrale in Essen arbeitet und dort ebenfalls gut zu tun hat. Denn nicht zuletzt haben die Banken ihre Strategie geändert. Sie versuchen, das Ansinnen der Kunden als Rechtsmissbrauch vor Gericht abzuschmettern. Den Kunden gehe es schließlich nur um einen günstigeren Zins, so ihre Argumentation. Im geschilderten Fall hatte dies auch die Sparkasse Essen versucht und ist damit vor dem Landgericht gescheitert. Je nach Gericht könne das aber auch anders ausfallen, sagt Schmidt. Eine höchstrichterliche Entscheidung dazu gibt es noch nicht.

Beim Landgericht enden über 60 Prozent der Fälle mit einem Urteil. Wer eher verliert, Bank oder Kunde, dazu sagte der Sprecher nur: „Es gibt kein einheitliches Bild.“