Essen. . 400 Teilnehmer folgten dem Aufruf der Bürgerinitiative „Carnaper Originale“. In Altendorf demonstrierten wütende Mitglieder des Hundesportvereins.
- Am Sonntag kamen zur Demo der Bürgerinitiative in Karnap bereits 400 Teilnehmer
- Redner Guido Reil fordert: Essen soll weitere Aufnahme von Flüchtlingen verweigern
- Auch in Altendorf protestieren wütende Mitglieder des Hundesportvereins
Dass nasskaltes Schmuddelwetter Bürger nicht vom Demonstrieren abhält, war am Sonntag in Karnap zu sehen: Dem Aufruf der Bürgerinitiative „Carnaper Originale“ waren 400 Teilnehmer gefolgt, die durch den Stadtteil marschierten und eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge im Essener Stadtgebiet forderten. „Es muss sich was tun. Wir haben, wie man im Ruhrgebiet sagt, die Schnauze voll“, sagte Mit-Organisatorin Tanja van der Water.
„OB Kufen, hörst du uns rufen?“
Zur ersten Flüchtlings-Demo in Karnap waren vor einem Monat 130 Teilnehmer gekommen. Die Bürgerinitiative „Carnaper Originale“ hatte dieses Mal mit 250 Teilnehmern gerechnet. Und war dann ob der großen Zahl positiv überrascht. Die Demonstranten kamen aus allen Altersklassen. Älteste Teilnehmerin: Leni Reinhold – 101 Jahre alt. Sie hatte schon vor 80 Jahren gegen den aufkommenden Nationalsozialismus demonstriert. Leni Reinhold erhielt, wie die weiteren Teilnehmer, für den Weg durch Karnap eine Trillerpfeife. „Damit pfeifen, wenn rechte oder linke Parolen skandiert werden“, instruierte Wolfgang Sonnet von den „Carnaper Originalen“ die Teilnehmer und betonte: „Wir sind weder rechts noch links.“
Wichtigstes Utensil der Demonstranten, neben dem Spruch „OB Kufen, hörst du uns rufen?“, war bei nasskaltem Wetter der Regenschirm. SPD-Ratsherr Guido Reil sorgte in spontaner Absprache mit der Polizei nach einer knappen Stunde, dass die Demonstration abgekürzt werden durfte. Darauf, dass es am Karnaper Markt weiter regnete, hatte aber auch Reil, nach dem Flüchtlings-Interview in unserer Zeitung derzeit gefragter Redner zum Thema, keinen Einfluss.
Reil: Essen soll weitere Aufnahme von Flüchtlingen verweigern
Reil wärmte die Demonstranten mit seinen deutlichen Worten zumindest wieder etwas auf. „Wir haben inzwischen keinen Kapazitäten mehr in Essen. Wir müssen als Stadt ein deutliches Zeichen in Richtung Berlin setzen und eine weitere Aufnahme von Flüchtlingen verweigern“, forderte Reil und erntete begeisterten Applaus.
FlüchtlingeDie weiteren Redner auf dem Karnaper Markt kritisierten vor allem die Essener Politik und die Verwaltung. „Man erkennt kein Konzept. Der Oberbürgermeister ist überfordert“, schimpfte Wolfgang Sonnet von der Bürgerinitiative „Carnaper Originale“. Er und seine Mitstreiter wiesen mehrfach daraufhin, dass man politisch nicht in einem rechten Denken verhaftet sei: „Wir sind nicht gegen Integration. Denn die leisten wir hier seit Jahrzehnten. Wir sind auch nicht gegen Flüchtlinge. Die kommen seit Jahrzehnten. Uns stört diese ungleiche und damit ungerechte Verteilung in der Stadt. Der Essener Norden ist schon jetzt ein sozialer Brennpunkt“, betonte Tanja van der Water von den „Carnaper Originalen“.
Demo des Hundesportvereins in Altendorf
Unterdessen gab es am Sonntag auch in Altendorf eine Demo. „Der Hundeplatz muss bleiben“ – mit Bannern und Plakaten zogen die Hundesportler des DVG Essen-West durch Altendorf. Umgeben von ihren Vierbeinern liefen mehrere hundert Hundebesitzer von der Nöggerathstraße bis zur Altendorfer Straße und zurück.
Mit der Demonstration kämpft Heinz Mundt, zweiter Vorsitzender des inzwischen 90 Jahre alten Vereins, für seinen Klub. Vor sechs Wochen hatte Heinz Mundt von der geplanten Flüchtlingsunterkunft an der Nöggerathstraße erfahren – von Anwohnern. „Wir waren völlig überrumpelt, die Stadt hatte uns nicht informiert.“ Das Gelände pachtet der Verein seit 50 Jahren von der Stadt, diese wolle den Vertrag nun kündigen.
Was das für die Hundesportler bedeutet? „Klipp und klar das Aus.“ Denn der DVG Essen-West müsste das Grundstück als Grünfläche zurückgeben und das Vereinsheim auf eigene Kosten abreißen. „Das würde uns finanziell ruinieren und alternative Plätze gibt es nicht.“
Die Bezirksvertretung hatte im Januar den Platz besichtigt und steht seitdem hinter den Hundesportlern. „Wir werden uns für den Erhalt des Vereins einsetzen“, verkündet Doris Eisenmenger, stellvertretende Bezirksbürgermeisterin von den Grünen.
Man dürfe solche Lebensmittelpunkte nicht angreifen, zumal der Essener Norden mit Flüchtlingsunterkünften genug belastet sei. Auch Lothar Föhse von der CDU-Fraktion spricht sich für den Hundeverein aus, um den „sozialen Frieden“ zu wahren. Die Entscheidung fällt in der Ratssitzung am 24. Februar.
Verweis auf Leerstand
Heinz Mundt, zweiter Vorsitzender des Vereins, sieht für die Unterbringung der Flüchtlinge durchaus Alternativen: „Essen hat einen Leerstand von 8000 Wohnungen – warum können die nicht genutzt werden?“ Mit seiner Meinung steht er nicht alleine da. In einer Petition hat er für seinen Verein schon mehr als 4500 Unterschriften gesammelt.
Und auch bei der Demonstration am Sonntag läuft ein ganzer Trupp durch den Altendorfer Regen. Obwohl Heinz Mundt sich über die rege Teilnahme freut, fürchtet er, dass die Aktion von Flüchtlingsgegnern missbraucht werden könnte. „Wir müssen Leuten helfen, die in Not sind.“ Doch beim demonstrativen Spaziergang bleibt – bis auf ein bisschen Bellen – alles ganz ruhig.