Essener Nordwesten. . Die jüngste Sitzung der Bezirksvertretung (BV) IV in Essen-Borbeck war nicht wie jede andere. Und das allein wegen rund 70 Protestlern und Polizeischutz.

Eine Sitzung mit Polizeischutz, rund 70 Protestler und ein lang erwartetes Votum der Ortspolitiker zur Rats-Entscheidung über die Unterbringung von Flüchtlingen Ende Februar: Die vergangene Sitzung der Bezirksvertretung (BV) IV zog im gesamten Essener Nordwesten viel Aufmerksamkeit auf sich.

Dass zur Sitzung einer BV die Polizei erscheint, um für Sicherheit und Ordnung zu sorgen, hat es sicherlich seit Gründung der Vorortparlamente Mitte der 1970er Jahre nicht oft gegeben. Doch als sich die verschiedenen Protestgruppen rund um das Schönebecker/Bedingrader Hexbachtal und die Gerscheder/Dellwiger Levinstraße angekündigt hatten oder ihr Erscheinen absehbar wurde, da ging Bezirksbürgermeister Helmut Kehlbreier (SPD) kein Risiko ein. „Wir haben mit Schlimmerem gerechnet“, erklärte Kehlbreier die Präsenz der Polizei außerhalb des Sitzungssaals bis weit nach der Verhandlung des Tagesordnungspunktes „Flüchtlingsunterkünfte“.

„Gerscheder Weiden“: Ordnungsdezernent bestätigt schlechten Start

Im Saal selbst kochten die Stimmungen nicht über. Die Gäste von der Bürgerinitiative (BI) „Rettet das Hexbachtal“, viele dortige Anwohner und Teilnehmer der Hexbachtal-Facebook-Gruppe sowie die Mitglieder der Initiative „Dellwiger Frieden“ trugen ruhig ihre Argumente gegen den Bau einer festen Flüchtlingsunterkunft (Hexbachtal) und der Einrichtung eines Flüchtlingsdorfes an der Levinstraße mit Option auf eine spätere Bebauung mit einer Flüchtlingsunterkunft (Dellwig) vor.

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Allerdings ließen die Sprecher über die Folgen der Maßnahmen keine Zweifel. „Wir Anwohner werden alle Rechtsmittel ergreifen, wenn die Stadt baut“, stellte Heiner Linke, Nachbar der geplanten Einrichtung oberhalb des Hexbachtals, den Gang vor Gericht in Aussicht. Noch explosiver ist die Stimmung rund um die Levinstraße, an der im April ein Flüchtlingsdorf mit 400 Plätzen bezogen werden soll. „Wir haben ein spannungsgeladenes Umfeld und warnen ausdrücklich davor, dass das Vorhaben weiter vorangetrieben wird. Wenn keine Sicherheitsmaßnahmen für Anwohner und Flüchtlinge ergriffen werden, wird es zu Schwierigkeiten kommen“, so Markus Kloss von der BI „Dellwiger Frieden“. Der anwesende Ordnungsdezernent Christian Kromberg bestätigte den schlechten Start unweit der sozial problematischen Siedlung „Gerscheder Weiden“: „Wir haben Probleme in dem sozialen Umfeld und müssen die Anlage schützen lassen. Es ist schon zu Sachbeschädigungen gekommen“, so Kromberg.

Auch deshalb will die Mehrheit aus SPD, Grüne und Linke der BV IV auch die – nicht rückgängig zu machende – Unterbringung dort auf ein Mindestmaß begrenzen. „Wir wollen den Rückbau des Dorfes bis Ende 2016 und keine folgenden Einrichtungen“, unterstrich Ulrich Schulte-Wieschen, Sprecher der SPD. Die geplante Unterkunft am Rande des Hexbachtals will man nur hinnehmen, wenn es keine Alternativen mehr gebe. „Das darf nur die allerletzte Variante sein. Es ist uns sehr wichtig, dass auch die kleineren Flächen noch einmal geprüft werden, kleinere Unterkünfte sind uns sowieso viel lieber“, so Thorsten Drewes (Grüne).

Grünes Licht für zwei andere Standorte

Während Hexbachtal und Levinstraße im Bezirk stark umstritten sind, gaben die Bezirksvertreter für zwei andere Standorte im Nordwesten fast uneingeschränkt grünes Licht.

So verabschiedete man sich auf Seiten der Politiker von den eigentlich vorgesehenen Wohnungsbau-Plänen an der Borbecker Neustraße und stimmte dem Bau einer Einrichtung für Flüchtlinge zu. „Es scheint bislang nicht gelungen zu sein, das Gebiet zu vermarkten. Das eigentliche Ziel Wohnbebauung darf aber nicht aus den Augen verloren werden“, so Thorsten Drewes (Grüne). Spätestens 2022 sollten die Vermarktungsbemühungen wieder aufgenommen werden, spätestens 2025 sollten keine Flüchtlinge mehr hier untergebracht werden.

Auch die Anmietung eines leer stehenden Gebäudes an der Cathostraße im Bergerborbecker Gewerbegebiet Carolus Magnus ist nicht umstritten. „Man muss nur im Auge behalten, dass man es hier nicht mit einem Ghetto zu tun bekommt. Die Lager ist schon ziemlich isoliert“, so Ulrich Schulte-Wieschen (SPD).

Obwohl inhaltlich mit SPD, Grüne und Linke auf einer Linie, stimmte die CDU gegen den Antrag der Mehrheit. „Die dort geforderten präzisen zeitlichen Fristen sind reine Symbolpolitik. Niemand weiß, ob die irgendwie einzuhalten sind“, so Thomas Mehlkopf-Cao (CDU). Er resümierte: „Die Lösung, die für die Stadt nicht zu teuer ist aber alle befriedigt, gibt es nicht.“