Essen. Es werde zu viel darüber geredet, was in der Flüchtlingskrise schief läuft, findet ein neues Netzwerk in Essen. Gemeinsam will man nun Jobs schaffen.

Sie wollen die große Herausforderung mit viel Klein-Klein meistern: Am Donnerstag haben sich Vertreter von Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Jobcenter, Ehrenamts-Agentur, Rotary Club, Konzernen, Politik und Handwerkskammer zusammengesetzt, um die Integration von Flüchtlingen voranzubringen.

Mit dem Walter-Wolff-Gemeindezentrum in Altenessen haben sie sich einen symbolträchtigen Ort ausgesucht: „Wir sind hier in einem Stadtteil, der seit Jahrzehnten Integrationsarbeit für die gesamte Stadtgesellschaft mit übernimmt“, sagt Klaus Wermker vom Vorstand der Ehrenamts-Agentur. Diese Expertise wollen er und seine Mitstreiter nutzen, indem sie das Gemeindezentrum zu einem „Haus der neuen Welt“ umwidmen.

Die evangelische Kirche will den Bau mit 2500 Quadratmetern Nutzfläche ohnehin verkaufen, um sich an anderer Stelle kleiner zu setzen. „Wir brauchen einen Investor, der das Haus kauft und uns vermietet“, erklärt Wermker. Den potentiellen Käufer habe er bereits, nun müssten sich Interessenverbände, Kirchen- und Moscheegemeinden zu einer Trägergesellschaft zusammentun, die das Gebäude langfristig mietet – und mit Leben füllt. Also Bildung und Begegnung anbietet, Kultur, Beratung, Lebenshilfe. Drei Wohnungen für bis zu zwölf junge Flüchtlinge biete das Haus auch noch.

Ehrenamtliche begleiten Flüchtlinge

Am Donnerstag aber ist das Gemeindezentrum erstmal Treffpunkt für die eingangs genannten Akteure, die sich Gedanken machen, wie man Flüchtlinge in Arbeit bringt.

„Ich glaube, dass wir das schaffen“, sagt die Essener CDU-Bundestagsabgeordnete Jutta Eckenbach ganz auf Kanzlerinnen-Linie. „Aber es wird nicht allein mit kommunalen Maßnahmen gehen oder allein mit bürgerschaftlichem Engagement, sondern nur durch Vernetzung.“ Für diesen Ansatz hat Eckenbach auch den Essener Bundestagsabgeordneten Dirk Heidenblut von der SPD gewonnen. Immer wieder habe sie von Mittelständlern gehört, dass sie bereit seien, Flüchtlinge auszubilden, ihnen jedoch die Zeit fehle, passende Kandidaten zu suchen, zu betreuen und sich im Behördendschungel zurecht zu finden. Wie ist das mit dem Mindestlohn für Praktikanten, kann der Deutschkurs parallel zur Arbeit laufen, welche Förderprogramme von Bund und Land gibt es? Am Geld scheitere die Integration nicht, glaubt Eckenbach. Aber Arbeitgeber brauchten Ansprechpartner, die ihnen solche Fragen beantworten und die da sind, wenn mal etwas nicht rund läuft. „Hier müssen wir ein Integrations-Gerüst aufbauen.“

Viele Ämter und Träger arbeiteten erfolgreich, ergänzt Wermker: „Doch an einigen Stellen funktionieren die Anschlüsse nicht.“ Erste Ansätze gebe es dazu bei der Ehrenamt-Agentur, sagt Geschäftsführerin Janina Krüger. „Ehrenamtliche begleiten Flüchtlinge zum Jobcenter oder helfen ihnen, ihre Zeugnisse anerkennen zu lassen.“

Integration muss auch im Alltag stattfinden

Zu oft sei in jüngster Zeit darüber lamentiert worden, was in der Flüchtlingskrise schief laufe, findet Eckenbach. „Die Menschen sind hier – wir müssen ihnen helfen.“ Gewiss werde man kein Heilmittel finden, um 4000 Leute auf einen Schlag in Arbeit zu bringen. „Jeder einzelne wäre schon ein Erfolg“, findet Wermker. „Aber unsere Ziele sind ehrgeiziger, wir wollen Hunderte vermitteln.“ Das Ruhrgebiet sei schließlich die Region, „die Integration am besten kann“.

Dass es daran zuletzt Zweifel gab, dass im Essener Norden lebhaft über eine teils gescheiterte Integration diskutiert wird, weiß Wermker natürlich auch. Darum möchte er das Netzwerk, das sich nun zusammenfindet, auch nicht auf Flüchtlinge begrenzen, sondern auch Langzeitarbeitslose oder Schulabbrecher an die Hand nehmen. „Es geht hier um Lebensfragen, die auch viele Menschen betreffen, die schon lange hier zu Hause sind.“ Nicht in jedem Fall könne die „Integrationsmaschine Arbeit“ helfen, räumt Wermker ein. Das heiße aber nur, dass Integration an anderer Stelle im Alltag stattfinden müsse: „In der Kita, in Schulen oder in Hausgemeinschaften, die einander helfen.“

Wie man solche Modelle anstoßen und fördern kann, will das neue Netzwerk noch herausfinden. Wie sagt Eckenbach: „Wenn wir die Lösungen schon hätten, müssten wir uns nicht zusammensetzen.“