Essen. Die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt ist schwierig: Etwa 90 Prozent der Zuwanderer fehlen Berufskenntnisse. Neuer Hartz-IV-Rekord.

Das Jobcenter Essen erwartet in diesem Jahr weitere 5700 Flüchtlinge, die auf Hartz IV angewiesen sein werden. „Und das ist eher konservativ geschätzt“, sagte der städtische Sozialdezernent Peter Renzel.

Viel hänge beispielsweise davon ab, wie schnell das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Asylanträge bearbeite und ob eine Residenzpflicht für Asylbewerber komme. Sollte diese nicht eingeführt werden, erwartet Renzel weiterhin einen starken Zuzug vor allem syrischer Flüchtlinge aus dem Bundesgebiet.

Ende 2015 betreute Jobcenter 2760 Syrer

Bereits im vergangenen Jahr war die Zahl der Flüchtlinge, die Hartz IV erhielten, von Januar bis Dezember um 50 Prozent gestiegen. Ende 2015 betreute das Jobcenter etwa 6800 Personen, die aus Ländern stammen, die nach einer kurzen Wartezeit Anspruch auf Hartz IV haben. Dazu zählen Flüchtlinge aus Eritrea, Afghanistan, Irak, Iran, Syrien und Somalia.

Vor allem bei den Syrern weist die Statistik einen deutlichen Anstieg um über 200 Prozent auf: Bekamen Anfang 2015 noch 950 Syrer die Sozialleistung vom Jobcenter, waren es Ende des Jahres bereits 2760. Bei den Irakern gab es ein Plus von neun Prozent auf 2300 Hartz-IV-Empfänger.

Etwa zwei Drittel der betreuten Flüchtlinge sind laut Jobcenter im erwerbsfähigen Alter. Ihre Integration in den Arbeitsmarkt dürfte derweil schwierig und langwierig werden. 88 Prozent der beim Jobcenter gemeldeten Syrer haben keinen Berufsabschluss bzw. können eine Ausbildung formal nicht nachweisen. Bei den Irakern und Afghanen trifft dies auf 94 Prozent zu. Hinzu kommen mangelhafte Sprachkenntnisse. Die Bundesagentur für Arbeit schätzt, dass nur jeder zehnte Flüchtling bereits nach einem Jahr eine Arbeit gefunden hat, etwa die Hälfte nach fünf Jahren; und insgesamt 75 Prozent nach zwölf bis 13 Jahren im Berufsleben stehen werden.

Jobcenter: 200 statt 130 neue Stellen notwendig

Beim Jobcenter heißt es deshalb ganz klar: Integrations- und Sprachkurse haben derzeit oberste Priorität. Hinzu kommen Angebote, um erst einmal die berufliche Qualifikation der Flüchtlinge feststellen zu können. Unter anderem kümmert sich in Essen seit kurzem der „Integration Point“ um diese Aufgaben. Der „Integration Point“ ist eine gemeinsame Anlaufstelle von Jobcenter und Arbeitsagentur, die sich ausschließlich um Flüchtlinge kümmert.

Das Jobcenter reagiert aber anderweitig auf die steigenden Hartz-IV-Zahlen und die wachsende Integrationsarbeit, die zu leisten ist. Zum einen werden die derzeit 854 Mitarbeiter in der Behörde interkulturell geschult. Zum anderen wird das Jobcenter in den kommenden Monaten rund 130 neue Stellen schaffen. Die neuen Mitarbeiter würden vor allem für die Bearbeitung von Hartz-IV-Anträgen gebraucht, erklärte Renzel.

Ob jedoch das zusätzliche Personal für die Aufgabenfülle ausreicht, bleibt abzuwarten. Bei der Stadt hatte das Jobcenter nach Informationen dieser Zeitung statt der 130 genehmigten über 200 neue Stellen als dringend notwendig angemeldet.

Essen: Rekordzahl bei Hartz-IV-Empfängern

In Essen lebten im vergangenen Jahr insgesamt 87.100 Personen von der Sozialleistung Hartz IV. Das sind fast 2000 Bedürftige mehr als im Jahr 2014. Für Essen dürfte dies einen neuen Hartz-IV-Rekord bedeuten. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, also der Hartz-IV-Haushalte in der Stadt, stieg im vorigen Jahr um rund 700 auf 45.560.

Dass der Anteil der Ausländerunter den Hartz-IV-Empfängern steigt, zeigen exemplarisch diese Zahlen des Jobcenters aus dem September vergangenen Jahres: Von 87.726 Personen in den Essener Bedarfsgemeinschaften waren damals 26.376 Personen mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit (also rund 30 Prozent). Im September 2014 gab es in Essen 85 460 Personen in Bedarfsgemeinschaften, davon waren 23.099 Ausländer (rund 27 Prozent). Diese Zahlen beinhalten jedoch nicht nur die Flüchtlinge, sondern auch die Ausländer, die schon länger in Essen leben.