Essen. Gesucht: Bürger, die sich freiwillig in Essen als Notfallseelsorger engagieren. Eine Ehrenamtliche erzählt von ihren Erfahrungen.
Der Tod reißt oft genug Menschen brutal aus dem Leben, völlig unerwartet, und hinterlässt schockierte Angehörige, ratlos, trauernd, voller Fragen – dann kommt Annette Raatz und ist einfach nur da. Zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Notfallseelsorge nach Todesfällen, Unglücken, Selbstmorden, auch nach Verbrechen, bei denen jemand zu Tode kam. Gibt es einen schwierigeren Job auf dieser Welt? „Es ist persönlich bereichernd“, sagt die 57-Jährige, und das muss sie jetzt dann doch mal erklären.
Rund 120 Einsätze im vergangenen Jahr
24 Notfallseelsorger arbeiten derzeit in Essen. Gestellt werden sie von der evangelischen und katholischen Kirche, die Hälfte von ihnen sind Theologen, die andere Hälfte Laien. Derzeit werden wieder Bürger gesucht, die sich für dieses anspruchsvolle Ehrenamt interessieren. Wer Notfallseelsorger werden will, wird vorher ein halbes Jahr lang gründlich geschult, erhält auch während seiner Tätigkeit Supervision, es finden Gruppentreffen mit anderen Notfallseelsorgern statt. Es geht um Bereitschaftsdienst an sieben Tagen pro Halbjahr, aufteilbar in Sechs-Stunden-Schichten. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Notfallseelsorge rund 120 Einsätze in Essen.
Annette Ratz war die erste Bürgerin, die als Nicht-Theologin zur Notfallseelsorgerin wurde, im Jahr 2013 war das. Früher hat sie als Krankenschwester gearbeitet, „der Umgang mit Leid und Tod ist mir nicht fremd.“ Sie weiß, dass der Tod unterschiedlicher Gesichter hat, „mal kommt er als Erlösung, mal ist er grausam“, und nicht selten bleibt die Frage der Angehörigen nach dem „Warum“ – vor allem dann, wenn es Kinder sind, die gestorben sind. „Das ist das Schwierigste: Darauf eine Antwort zu finden. Wie Gott das zulassen konnte.“ Sie selbst, Annette Raatz, erlitt vor rund 30 Jahren mal einen Verkehrsunfall, dabei wurde sie gar nicht schwer verletzt, und trotzdem: „Ich stand unter Schock, und es war gut, dass damals jemand an meiner Seite war, der mich begleitet hat.“ Dass sie heute als Notfallseelsorgerin anderen Menschen in kritischen Situationen beistehen will, ist für sie gelebte christliche Überzeugung.
Fahrt zum Einsatz mit dem DRK
Und was ist jetzt das Bereichernde? „Es entsteht eine zwischenmenschliche Beziehung. Die Menschen vertrauen sich mir an. Das empfinde ich als großen Gewinn.“ Es geht um das stille Hinhören und -fühlen, das einfache Dasein für jemanden, dem gerade der Boden unter den Füßen weggezogen worden ist. „Wir bieten auch einfache Trauerrituale an: eine Kerze anzuzünden für den Verstorbenen oder gemeinsam zu beten.“
Sie selbst bereitet sich auf ihre Einsätze während der Fahrt zum Einsatzort vor; Notfallseelsorger werden vom Roten Kreuz chauffiert: „Ich sammle mich und bitte Gott um Stärkung für den Einsatz“, erzählt Annette Raatz. „Mein Glaube ist für diese Arbeit ganz wichtig.“
Kursabende und Ausbildungs-Wochenenden
Das Team der Ökumenischen Notfallseelsorge in Essen schult neue Ehrenamtliche ab dem 25. Februar. Die Kursabende finden bis 29. September jeweils donnerstagsabends abwechselnd in Essen und in Mülheim statt. Hinzu kommen mehrere Ausbildungs-Wochenenden. Zuvor findet ein Eignungstest statt.
Gesucht werden Menschen, die psychisch und physisch stabil sind, in Essen wohnen und einer christlichen Kirche angehören. Einfühlungsvermögen und Teamfähigkeit sowie das Interesse an Strukturen von Feuerwehr, Polizei und Rettungsdiensten sind nötig. Kontakt: notfallseelsorge@evkirche-essen.net