Essen. Karl-Heinz Henrich (64) und Fritz Geiecke (63) stehen kurz vor der Pensionierung. Warum Trendsport „Parcours“ auch für Schulen heute ein Segen ist.

Zappelmaschinen. Fritz Geiecke nennt sie Zappelmaschinen: Die Smartphones, Tablets und Spielecomputer dieser Welt. Nicht, weil die Geräte zappeln, natürlich nicht, sondern, weil sie denjenigen zappelig machen, der sich zu viel mit ihnen beschäftigt.

Fritz Geiecke geht am Freitag in Pension, es ist der letzte Tag des Schulhalbjahrs, Geiecke ist 63 Jahre alt, Fächer: Religion und Sport, und sein Kollege, Karl-Heinz Henrich (64) will sein letztes Jahr noch voll machen, und dann beendet auch er nach Jahrzehnten an der Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Schonnebeck seine aktive Zeit als Lehrer in den Fächern Deutsch und Sport. Beide kamen Anfang der Achtziger zur Gustav-Heinemann-Gesamtschule, erlebten die Anfangsjahre, die Entwicklung, die Veränderung.

Standards gelten nicht mehr ohne Weiteres

Es wäre jetzt einfach für beide Pädagogen, über den Wandel der Schülerschaft zu lamentieren, darüber, wie schwer es geworden ist, heute ein guter Lehrer zu sein, über gestiegene Anforderungen.

Tun sie aber nicht. Nur so viel: „Natürlich sitzen Kinder und Jugendliche heute zu viel an den Zappelmaschinen“, sagt Geiecke. „Früher tobten sich die Schüler bis abends draußen aus. Dass das Konsequenzen für die Beweglichkeit, Ausdauer und Kraft hat, ist doch klar.“ Und so berichten beide Lehrer, dass alte Standards im Sportunterricht nicht mehr so ohne Weiteres gelten: „Beim Handstand, angelehnt an der Wand, kippen viele um, es fehlt oft an Kraft und Stabilität.“ Bodenturnen grundsätzlich sei schwierig geworden.

Stattdessen schwärmen Geiecke und Henrich vom Trendsport „Parkour“: Das ist, wenn junge Leute über Geländer springen und Absätze aus Beton; wenn alles, was so in Stadtlandschaften herumsteht, als Hindernis benutzt wird und ohne Hilfsmittel überwunden werden soll, muss, kann. „Es fördert Kraft, Ausdauer, Geschicklichkeit“, sagt Henrich, „früher nannten wir sowas Hindernisturnen. Im Grunde war das meiste schon mal da.“

Fürs Leben lernen

Trotzdem ist „Parkour“ ein Segen auch für den Schulsport: „Sie können die Schüler mit einbeziehen. Sie entwerfen selbst Routen, und dann bauen sie es in der Halle mit den Gerätschaften nach.“ Was also zählt, ist auch Teamgeist, und was geweckt wird, ist Leidenschaft für Bewegung: „Life-Time-Sport“, heißt das heute: „Ziel muss immer sein“, sagt Henrich, „dass man Impulse setzt, dass die Schüler Lust auf Bewegung bekommen, über die Zeit nach der Schule hinaus.“

Was für ein Unterschied im Selbstverständnis zu jenem Turnunterricht, in dem Sportlehrer nur Leistung benoteten im Sinne von höher, schneller, weiter. Und Haltungsnoten verteilten. „Und ob einer heute im Sport von selbst mithilft, die Geräte aufzubauen, und wie er sich mit seinen Mitschülern verständigt bei Absprachen“, sagt Geiecke, „hat selbstverständlich auch Einfluss auf die Schulnote!“

Wie war das noch? Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir? – Wer Geiecke und Henrich zuhört, versteht, was damit gemeint ist.