Essen. Choreografisches Zentrum startet mit neuem Titel in die Spielzeit. Minister Duin lobt Haus als Motor für soziale und gesellschaftliche Innovationen

Die ehemalige Waschkaue auf der Welterbezeche Zollverein hat schon viele Titel bekommen – vom Kreativlabor bis zur Ideenfabrik. 2015 wurde Pact Zollverein zum „Ort des Fortschritts“ ernannt. Seit gestern haben es der künstlerische Leiter Stefan Hilterhaus und sein Team auch amtlich. NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin überbrachte Urkunde und Begründung leicht verspätet, aber pünktlich zur Programmpräsentation 2016. Pact Zollverein sei „Motor, Initiator und Bühne für wegweisende Entwicklungen und Verknüpfungen unterschiedlicher zeitgenössischer Kunstformen“, lobt Duin. Das Haus leiste damit einen Beitrag zur sozialen und gesellschaftlichen Innovation in NRW.

Die besondere Auszeichnung für das spartenübergreifende und interdisziplinäre Arbeiten ist Pact Zollverein auch in den kommenden Monaten Verpflichtung. Über den herkömmlichen Radius der darstellenden Künste hinaus sucht das Haus den Austausch und die stete Transformation. Immer wieder anders hat sich das Haus dabei präsentiert, zuletzt sogar ohne die gewohnte Trennung von Zuschauer- und Bühnenraum. Formate wie die „Residenzen“ für Künstler aus aller Welt oder die Reihe „Feldstärke NRW“ für Absolventen von Kunstakademien und Hochschulen haben das Spektrum erweitert und die Klammer zwischen internationaler und lokaler Arbeit, wissenschaftlicher und künstlerischer Auseinandersetzung gesetzt.

Bach und Bauklötze

Das aktuelle Programm am „Ort des Fortschritts“, das in den nächsten Monaten wieder mit etlichen Uraufführungen und Deutschlandpremieren aufwartet, startet allerdings mit einem Rückblick auf Schlüsselwerke der Tanzgeschichte des 20. Jahrhunderts von Merce Cunningham bis Isadora Duncan (Scènes du Geste, 22./23. Januar).

Objekt-Fotografie, Performance und literarische Fragmente kommen bei Eva Meyer-Keller und Uta Eisenreich zusammen, die den Küchentisch für ihr Projekt „Things on a Table“ bereiten (Uraufführung: 30. Januar). Reich gedeckte Tafeln dürfte das Publikum beim Tag der offenen Tür am 6. Februar vorfinden. Von 12 bis 18 Uhr darf man alle Räume erkunden, über tausende von Bauklötzen staunen und spektakuläres Techniktheater genießen. Während Alain Franco am 28. Februar (15 bis 19.30 Uhr) „Das wohltemperierte Klavier“ von Bach in eine neue Abfolge bringt.

Essener Tanztradition

Frühlingsfest auf Zollverein

Eine Entdeckungstour mit Publikum durch das Gebäude von Pact Zollverein starten Yukiko Shinozaki und Heine Avdal alias Fieldworks am 18., 19., 20. März.

„Spillover“ heißt die Performance der Künstlerin Vlatka Horvat, die ihren reichen Ideenkosmos auf einer Tischplatte entfaltet (18. März, 19 Uhr).

Schuhplattler und zeitgenössischen Tanz, auch ohne Leder- und sonstige Hosen, zeigt Simon Mayer mit „Sons of Sissy“.Rollenbilder des Brauchtums werden aufgebrochen. (19. 3., 20 Uhr).

Die „Einladung zum Tanz“ richtet sich an Amateurgruppen und Freizeittänzer. Die Tea-Time startet am 20. 3., 14.30 Uhr .

„Vorübergehend gerettet“ heißt das Werk von Wolfgang Hufschmidt, ehemalige Rektor der folkwang-Uni, das als Lesung für drei Sprecher und drei Instrumentalisten aufgeführt wird (13. April, 20 Uhr). Schönbergs Komposition „Verklärte Nacht“ hat die gefeierte Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker schon vor Jahren fasziniert. Nun präsentiert sie eine späte, kleine, aber „schamlos romantische“ Neufassung (8./9. April). Auch die weltweit gefeierten Pioniere des Experimentaltheaters von „Forced Entertainment“ zieht es immer wieder nach Zollverein. Die Uraufführung von „Real Magic“ zeigen sie am 4./5./6. Mai.

Große Essener Tanztradition wird schließlich am 16. Mai auf Pact Zollverein gefeiert. Die Verleihung des Kurt-Jooss-Preis 2016 ist für Hilterhaus auch eine Verneigung vor den „Vordenkern dieses Hauses“.