Essen. Die Reihe „638 Kilo Tanz“ hat sich der Förderung der Tanzszene vor Ort verschrieben und gewinnt doch immer mehr überregionale Ausstrahlung.

Dass man mit den Jahren ein wenig zulegt, ist ja nicht ungewöhnlich. Auch das Festival „638 Kilo Tanz und weitere Delikatessen“ lässt sein bewusst schlank geführtes Programm aus choreografischen Kostproben, tänzerischen Miniaturen und Begabungs-Häppchen im neunten Jahr ein wenig ausladender ausfallen.

Zum ersten Mal haben die Festival-Macherinnen Jelena Ivanovic und Sabina Stücker beispielsweise eine große, abendfüllende Produktion nach Essen geholt. Anna Konjetzky wird zum Abschluss des viertägigen Festivals (5. bis 8. November) das Maschinenhaus mit ihrer bewegten Rauminstallation komplett verwandeln. Der Titel steht für das gesamte Festival: „Testlauf“.

Abstimmung mit Weihnachtskugeln

Neues zeigen, Ungewöhnliches wagen und trotzdem nicht avantgardistisch-abgehoben daher kommen, sondern das Publikum da abholen, wo man am schnellsten ins Gespräch kommt, nämlich am Buffet, das ist das Erfolgsrezept von „638 Kilo Tanz“. Die kulinarische Begleitung, die das „Seitenblick (5./6. November, Casa des Schauspiel Essen) und Café Livres (8. November. Maschinenhaus) übernehmen, gehört zum Konzept. Ebenso wie das Mitbringbuffet, das am Samstag im Katakomben-Theater allen Hobby-Köchen freien Eintritt beschert.

„Mit Speck fängt man Mäuse“, weiß Ivanovic. Aber es geht um mehr – um ungezwungenen Austausch, um Raum und Zeit für Begegnungen, um Kunstvermittlung ohne vorgegebene Haltung, bei der neben der Jury am Ende auch das Publikum seinen Favoriten kürt – mit Weihnachtskugeln.

Überraschungen mit Gewicht

Sie haben Tanz schon in Schrebergärten gezeigt und in fremden Hotelzimmern, auf der Bühne wurden Kartoffeln geschält und andere Experimente gemacht. „Wir waren so klein, wir hatten Narrenfreiheit“, skizzieren Sabina Stücker und Jelena Ivanovic den Werdegang des Festivals, das inzwischen europaweit einen Namen hat, sich aber immer noch als Bühne für die regionale Tanzszene versteht. Weil zwischen der Werdener Folkwang-Universität und Pact Zollverein nicht nur geografisch eine große Lücke klafft, sondern auch ein künstlerisches Vakuum zu füllen ist. Mit „638 Kilo Tanz“ will man Folkwang-Absolventen neue Auftrittsmöglichkeiten geben und die künstlerische Entwicklung des choreografischen Nachwuchses begleiten, unter anderem auch mit einer Auftragsarbeit. Gleichzeitig will man den Künstlern aber auch Begegnungen bescheren, „die sie so in ihrem Essener Surrounding nicht haben“, erklärt Ivanovic. Weil das Budget knapp und Reise-Spesen teuer sind, wurden nach einem Aufruf private Gastgeber gefunden, die die Künstler während des Festivals beherbergen.

Sie bringen Fertiges und Unvollendetes mit, spielen mit Körpern und Worten, aber vor allem auch mit viel Live-Musik, sie wollen ein Genre, wie die Festival-Macherinnen, „immer wieder neu erfinden“. Im zehnten Jahr wird man sich deshalb schon auf Überraschungen mit Gewicht freuen können.