Katernberg.. Beim „Mittwochsgespräch“ im Pact Zollverein sprachen zwei Experten der Jugendhilfe Klartext.


Um etwa 70 Prozent konnte die Jugendkriminalität in Katernberg seit den 1990er Jahren gesenkt werden – ein Erfolg des Jugendnetzwerkes, über das jetzt Herbert Czarnyan, ehemaliger Jugendkontaktberater der Polizei Essen, und Thomas Rüth, Leiter des Jugendhilfe Netzwerks Essen-Nord der Arbeiterwohlfahrt (Awo), im „Mittwochsgespräch“ auf Pact Zollverein berichteten.

Pact ist eine Adresse für Tanz, Performance, Theater, Medien und Bildende Kunst. Dort startete jetzt die Gesprächsserie, die Janne Terfrüchte, Assistentin der künstlerischen Leitung, moderierte.

 Thomas Rüth
Thomas Rüth © WAZ | WAZ

So schilderte Thomas Rüth, wie er mit Herbert Czarnyan Kontakt bekam. „Es war beim Mittagessen“, erzählt er, „da sagte einer meiner Kollegen: Ich kenn einen, der ist genauso verrückt wie du!“




Die Situation in Katernberg war damals in den 90ern schlecht. Die Zeche war geschlossen worden und noch lange nicht zum Weltkulturerbe ernannt, die Arbeitssituation war mau, und „Heroin kam zu der Zeit nach Katernberg herüber“, so Rüth.

Plötzlich wurde der Stadtteil zum Drogenschwerpunkt mit Dealern und Abhängigen, die sich durch Diebstähle ihre Sucht finanzierten. Da kam es gerade recht, dass Czarnyan und Rüth sich begegneten und sich zusammen für das Jugendhilfsnetzwerk einsetzten, in dem sich heute 180 Personen engagieren. Sie arbeiten z. B. in Jugendhäusern, Jugendämtern, Schulen, Ordnungsbehörden und in der Uni Essen.

 Herbert Czarnyan
Herbert Czarnyan © WAZ | WAZ

Die Arbeit mit jugendlichen Flüchtlingen, z. B. aus dem Libanon, gestaltete sich anfangs besonders schwierig. Mit Hilfe eines Imams wurde den Helfern die Tür zu den Immigrantenfamilien geöffnet. Inzwischen sehen sowohl Rüth als auch Czarnyan die Zusammenarbeit zum Teil kritisch. „Die Arbeit mit Moscheen und dem Imam deutet auf alte Systeme der Einwanderer hin“, dabei sollen sich die Jugendlichen nun zum Rechtsstaat hin orientieren, so Rüth. „Heute kennen wir die Familien und die Jugendlichen“, erklärt Czarnyan, „es haben sich auch schon Jugendliche, die etwas verbrochen hatten, am nächsten Tag mit den Worten: ,Ihr kriegt uns ja sowieso’, selbst bei uns gestellt“, so der ehemalige Jugendkontaktberater. Das Netzwerk sei so eng, dass die Täter ohnehin geschnappt würden, und „da stellen sie sich lieber uns, denn uns kennen sie“.




Rüth berichtet: „Die Grenzen der Integrationsleistung eines Stadtteils werden irgendwann überschritten, und an der Stelle brauchen wir Hilfe vom Bund. Wir vom Netzwerk wissen ja, was wir tun müssen, aber einiges können wir alleine nicht stemmen. Uns fehlt das Personal, um unsere Pläne umsetzen zu können.“