Essen. Die Stadt muss einen Nachtrags-Haushalt aufstellen, der das Minus 2016 spürbar erhöht. Als Sprengstoff erweist sich die extrem teure Unterbringung in Zelten.

Sie flüchteten vor Krieg und Chaos oder der Armut im eigenen Land. Männer ließen ihre Familien zurück, Frauen wagten sich auf lebensgefährliche Märsche, Kinder ertranken im Meer: Wer mochte da, als die Flüchtlinge in Essen ankamen, nach den Kosten ihrer Unterbringung fragen?

Doch je länger die Flüchtlingswelle anhält, desto mehr schwappt eine Debatte um die örtlichen Asyl-Kosten hinterher. Denn die bringen den ohnehin schon auf Kante genähten Essener Haushalt nach letzten Prognosen völlig aus den Fugen. Während Duisburg stolz die „schwarze Null“ im Etat vermeldet, ist der für 2017 geplante Haushalts-Ausgleich in Essen mehr denn je in Gefahr – obwohl die Stadt mit 90 Millionen Euro im Jahr die größte Summe unter allen 61 Stärkungspakt-Kommunen des Landes NRW kassiert.

Unterbringung-Kosten in Millionenhöhe

In der Ratssitzung am Mittwoch nächster Woche soll nun ein Nachtragshaushalt her, der die horrenden Unterbringungs-Kosten ausweist. Es ist dies mehr als nur eine haushalterische Formalie, denn „die Größenordnung ist so gehörig, dass wir nicht zur Tagesordnung übergehen können“, mahnt Stadtkämmerer Lars Martin Klieve. Wie groß die Summe ausfällt, bleibt im Rathaus – noch – Verschlusssache. Bei den Investitionen dürfte zwischen Plan und Wirklichkeit wohl eine zweistellige Millionensumme klaffen, bei den für den Verbrauch bestimmten („konsumtiven“) Kosten könnte auch eine dreistellige Millionensumme stehen.

Die Investitionen lassen sich stemmen, sie werden zu historisch niedrigen Zinsen kreditfinanziert und haben schon den Segen der Kommunalaufsicht gefunden, die ansonsten ja auf einer „Nettoneuverschuldung null“ besteht.

Als weitaus problematischer erweisen sich da schon die konsumtiven Kosten, von denen die Stadt nur etwa die Hälfte erstattet bekommt – und von denen Stadtkämmerer Klieve sagt, man werde hier wohl kaum mit besonderer Nachsicht der Kommunalaufsicht rechnen können. Woher also nehmen?

Finanzielles Defizit hochgeschraubt

Immerhin, etwas Luft ist ja noch: Ursprünglich hatte die Stadt auf dem Weg zum Etatausgleich für dieses Jahr ein Minus von 3,4 Millionen Euro vorgesehen – nach 53 Millionen im vergangenen Jahr. Da das Stärkungspaket-Gesetz vorschreibt, den Weg zum Haushalt im Lot in „gleichmäßigen jährlichen Schritten“ vorzunehmen, dürfte die Stadt das Defizit womöglich auf die Hälfte des 2015er Betrages hochschrauben, irgendetwas um 25, vielleicht 28 Millionen.

Doch selbst diese Zahl wird überboten, wenn die sündhaft teuren Zeltdörfer weiter in Betrieb bleiben. Dort, so hat die Stadt vorgerechnet, kostet jeder vorgehaltene Platz im Schnitt 2 029 Euro pro Monat. 4 000 Zelt-Plätze schlagen also im Jahr mit Kosten von über 97 Millionen Euro zu Buche – eine Summe, höher als die Kosten der kompletten Messe-Erneuerung.

„Wir können nicht sehenden Auges das Geld durch die Finger rinnen lassen“, warnt Klieve und sieht den aufsichtlichen Segen für das Essener Zahlenwerk in Gefahr: „Wenn wir die Zeltunterbringung nicht frühzeitig im Jahr beenden, haben wir null Chance.“

Dabei geschieht genau das Gegenteil: Je mehr Alternativ-Standorte zur Flüchtlings-Unterbringung wie berichtet durch den Rost fallen, desto länger wird es die Zelte geben müssen. Im Gespräch ist jetzt, die Zeltdörfer umzubauen – zu Container-Standorten. Die kosten nur die Hälfte pro Platz.