Essen. . Die Stadt will genau wissen, mit wem sie es in ihren Asylheimen zu tun hat. Stadt, Polizei, Betreiber und Wohlfahrtsverbände wollen sich besser austauschen.
Die Verunsicherung in den Kommunen ist groß, seit ein einschlägig vorbestrafter IS-Sympathisant mit mindestens sieben Identitäten über Monate unerkannt in einer Flüchtlingsunterkunft in Recklinghausen untertauchen konnte – bevor er dann nach einer Messerattacke auf Polizisten in Paris erschossen wurde. Ebenso groß ist der Wunsch nach mehr Aufklärung: Auch die Stadt Essen will nun genauer wissen, mit wem sie es in ihren Einrichtungen zu tun hat.
Für Anfang Februar ist deshalb ein Spitzengespräch für mehr Sicherheit in den Essener Flüchtlingsheimen geplant. Dies bestätigte Sozialdezernent Peter Renzel jetzt auf Nachfrage. Gemeinsam mit Polizeipräsident Frank Richter, Vertretern des Staatsschutzes, den Betreibern der Einrichtungen und den betreuenden Wohlfahrtsverbänden will Renzel ein konkretes Verfahren für den künftig möglichst lückenlosen Austausch von Erkenntnissen verabreden.
Mehrheit der 4000 Neuankömmlinge in Essen nicht registriert
An stichhaltige Informationen zu kommen, dürfte schwierig genug werden. Denn nach wie vor sind die meisten der über 4000 Neuankömmlinge in Essen nicht ordentlich registriert. Rund 60 Prozent von ihnen haben nicht mehr als eine „Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender“ in der Tasche. Diese so genannte „BüMA“ ist ein vorläufiges Aufenthaltspapier mit begrenzter Gültigkeitsdauer und belegt lediglich, dass sich jemand in Deutschland aufhält, um einen Asylantrag zu stellen. Mehr aber auch nicht.
„Es ist nicht Ordnung, dass wir Flüchtlinge bekommen, die nicht registriert sind“, kritisiert Renzel das Verfahren, für das die Bundesregierung verantwortlich zeichnet. Dies müsse bereits bei den Grenzübertritten geschehen. Doch oftmals erfolge die Erfassung gar nicht oder wenn, dann viel zu langsam. Vor diesem Hintergrund sei die Zusammenarbeit gerade mit der Polizei noch besser zu verzahnen.
Wer drei Tage nicht auftaucht, wird abgemeldet
Die Mitarbeiter in den Unterkünften seien bereits sensibilisiert, Verdachtsfälle zu melden. Etwa wenn sie den Eindruck haben, dass Islamisten Sympathisanten oder kriminelle Banden neue „Mitarbeiter“ unter den Zuwanderern rekrutieren wollen, wie es der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, jüngst beklagte. Erkenntnisse darüber gibt es bei der örtlichen Polizei aber nicht.
Doch in den Essener Unterkünften wurden bereits verschärfte Kontrollen angeordnet. So überprüfen die Security-Kräfte nach Angaben der Stadt zum Beispiel regelmäßig, ob sich an den Standorten Menschen aufhalten, die dort nicht gemeldet sind, aber dennoch und damit widerrechtlich Unterschlupf bei Bekannten oder Verwandten suchen. Umgekehrt gilt: Wer drei Tage oder länger nicht in seiner Unterkunft auftaucht, wird abgemeldet, sagt Sozialamtsleiter Hartmut Peltz: „Dann werden die Leistungen gestrichen.“
Festgenommener in Kray sah Abdelhamid Abaaoud ähnlich
Zumindest der aktenkundige Fall einer illegalen Beherbergung sorgte bereits für einen Einsatz des Staatsschutzes in Kray – und für nicht wenig Aufregung hinter den Kulissen der Sicherheitsbehörden: Bei einer Alarm wegen einer Schlägerei in der Einrichtung der Grimbergstraße kam die Polizei im Dezember einem Flüchtling auf die Schliche, der sich dort bei seinem Bruder einnisten wollte. Bei der Überprüfung der Personalien, so heißt es in einem internen Bericht, stellte sich heraus, dass sich der Mann illegal in Deutschland aufhielt.
Für noch mehr behördliche Betriebsamkeit aber sorgte die von Polizeisprecher Ulrich Faßbender auf Nachfrage bestätigte Vermutung, dass es sich bei ihm um den Terroristen Abdelhamid Abaaoud handeln könnte, den zu diesem Zeitpunkt europaweit gesuchten Drahtzieher der Anschläge von Paris. Der Festgenommene sah Abaaoud offenbar sehr ähnlich.
Der anfängliche Verdacht aber bestätigte sich im Nachhinein nicht. Dem unliebsamen Besucher konnten auch keine Verbindungen zu kriminellen Organisationen nachgewiesen werden.