Essen. . Vor allem aus dem Essener Norden kommt viel Zustimmung für den Ratsherren Guido Reil aus Karnap, der im Interview offen die Probleme der Flüchtlingskrise ansprach.
Ein Wechselbad der Gefühle - das beschreibt wohl am besten, was der Karnaper Kommunalpolitiker Guido Reil erlebte, seit er vor gut einer Woche sich seine Zweifel und Sorgen zur Flüchtlings- und Integrationspolitik im Interview mit dieser Zeitung von der Seele redete. Der Versuch, dies als Minderheitenmeinung und als ungehörigen Alleingang darzustellen, überlebte wenige Tage später nicht einmal den Abend der Parteivorstandssitzung, auf der Reil eigentlich einhellig in den Senkel gestellt werden sollte. Denn tatsächlich gab es dort ähnlich viel Lob wie Kritik, und Parteichefin Britta Altenkamp musste eine bereits vorgefertigte Mitteilung an die Öffentlichkeit zurückziehen, in der Reil im Namen der gesamten Essener SPD getadelt werden sollte.
Reil berichtet von vielen Kommunalpolitikern, die ihm Mut machten
„Guido Reil hat aus seiner Karnaper SPD schon vor diesem Interview den klaren Wunsch vermittelt bekommen, seine uns bekannte Meinung nach außen zu tragen“, sagt Stephan Duda, Ortsvereinsvorsitzender in Karnap. Von einem Alleingang könne daher keine Rede sein, im Gegenteil: „Mindestens im Essener Norden denken viele Sozialdemokraten wie er.“ Möglich, dass Reils offene Kampfansage „Wir schaffen das nicht“ einen Bann gebrochen hat und dazu beitrug, dass die SPD-Ratsfraktion am Montagabend das Konzept der Stadtverwaltung zum Bau neuer Flüchtlingssiedlungen vorwiegend im Essener Norden erst einmal ablehnte.
Reil selbst berichtet von zahlreichen Essener Kommunalpolitikern „aus meiner Partei, aber auch aus der CDU“, die ihn nach dem Interview ermutigt hätten, die Kritik durchzustehen. Allerdings, so der 45-jährige Bergmann, habe er sich hin und wieder gefragt, „warum die nicht selber mal was sagen“. Das gelte auch und gerade für die Essener CDU.
Auch hinter den Kulisse in der CDU gärt es
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Oberbürgermeister Thomas Kufen ließ zwar im ersten Interview nach seiner Amtsübernahme Unbehagen an der Politik der Kanzlerin anklingen als er mitteilte, er sei „näher bei de Maiziere als bei Merkel“. Doch dabei blieb es dann. Indirekt dürften auch Sozialdezernent Peter Renzel und Ordnungsdezernent Christian Kromberg, beides Christdemokraten, die CDU auf Kurs halten. Den „Machern“, die die Flüchtlingskrise lokal managen, fällt man nicht gern in den Rücken. Hinter den Kulissen der CDU gärt es aber schon.
Wie sehr Reil einen Nerv getroffen hat - positiv wie negativ - wurde jedenfalls im Netzwerk Facebook deutlich, wo Essener Kommunalpolitiker kontrovers diskutierten. Vor allem der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karlheinz Endruschat aus Altenessen, stand seinem Karnaper Parteifreund - wie bereits im Parteivorstand - zur Seite: „Die Täter von Köln, Hamburg, Stuttgart usw. werden in dieser Generation nicht in unser Wertesystem zu integrieren sein“, erklärte Endruschat auf Facebook, um fortzufahren: „Insofern liegt Guido Reil richtig, und in diesem Zusammenhang die Rassismus-Keule zu schwingen, reiht sich in die Systematik der Kölner Polizeiführung ein, politisch nicht opportune Tatsachen und Meinungsäußerungen zu unterdrücken.“
„Rufmord und Hetze gegen einzelne Ethnien“
Starke Worte, die nicht unwidersprochen blieben. Ratsfrau Julia Kahle-Hausmann kritisierte wie andere SPD-Linke die Äußerungen Reils über schwierig zu integrierende Araber als generalisierend und zu pauschal. Reil bezog sich vor allem auf die Essener Erfahrungen mit Libanesen. Dies nannte wiederum der libanesisch-stämmige Grünen-Ratsherr Ahmad Omeirat „billige Stimmungsmache“ und „Rufmord und Hetze gegen einzelne Ethnien“. Die Probleme seien „hausgemacht“ und durch die jahrzehntelangen Fehler der Integrationspolitik auch in Essen entstanden, so Omeirat
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Guido Reil hatte im Interview allerdings von „vielen“ gesprochen, die er für schwer oder gar nicht integrierbar halte - und eben nicht von allen. Ein wichtiger Unterschied. Beirren lassen will sich der betont bodenständige Sozialdemokrat nicht, klein beigeben auch nicht: Als ihn neulich einer seiner parteiinternen Kritiker fragte, ob er aus der SPD auszutreten gedenke, wies Reil dies entrüstet zurück. Er sei Sozialdemokrat seit 25 Jahren und bleibe dies - wie sein Vater und sein Großvater.