Essen. . Historiker schreibt seine Doktorarbeit über die Gründungsjahre der heutigen Uni Duisburg-Essen und der anderen damaligen „Gesamthochschulen“ in NRW.

Es gibt Forschungsthemen, die liegen so dermaßen auf der Hand, dass man sich fast ein wenig fragt: Warum ist darüber eigentlich noch nie etwas geschrieben worden? Das Historische Institut der Uni Duisburg-Essen erforscht jetzt die Gründungsjahre der eigenen Hochschule – Doktorand Timo Celebi (31) beschäftigt sich für seine Dissertation mit der „Transformation hochschulleerer Räume zur Hochschullandschaft“, so der Titel seiner Arbeit.

Celebi schlägt ein großformatiges Album auf, einen so genannten „Planungsatlas“ aus den Sechziger Jahren, „diese Karte hier ist besonders eindrucksvoll“, sagt er und zeigt eine seitengroße Grafik: Die alte Bundesrepublik, Zeitraum Wintersemester 1960/61, schraffierte Flächen zeigen die Gegenden in Deutschland, in denen die Menschen einen direkten Zugang zu einer Hochschule haben, doch das Ruhrgebiet und andere Teile NRWs: sind sprichwörtlich weiße Flecken. Natürlich gab es in Essen die „PH“ oder Ingenieurschule, aber das waren eben keine Unis.

Fünf neue Hochschulen auf einen Schlag

Das Land NRW gründete 1972 auf einen Schlag fünf neue Hochschulen: Essen, Duisburg, Siegen, Paderborn und Wuppertal; entwickelt worden war das neue Format „Gesamthochschule“. „Das war offen auch für Kandidaten mit Fach-Abi, bot aber alle Abschlüsse an, ab Fachhochschule aufwärts“, berichtet Celebi. „Es ging darum, die junge Generation hier zu halten, denn nach der ersten Kohlekrise in den Fünfzigern sollten neue Bildungs-Chancen entstehen, vor allem für jene, die aus Arbeiterhaushalten kamen“, ergänzt Ute Schneider, an deren Lehrstuhl Timo Celebi jetzt seine Dissertation verfasst. „Chancengleichheit und Demokratisierung waren die Schlagworte.“

Zwar entstanden vereinzelte Gesamthochschulen auch in anderen Bundesländern, doch ein Netz zu errichten aus einem neuen Uni-Typus, der sich auch noch baulich ähnelte – siehe Wuppertal und Essen: „Das war ganz neu und ist bundesweit einzigartig“, sagt Celebi. Und ging, wie zu erwarten, nicht ohne Widerstände ab: „Das fing bei Kleingärtnern an, deren Anlagen für Hochschulbauten geopfert werden sollte“, erzählt Celebi, „und endete bei Bürgern, die befürchteten, die Studenten bringen nur Unruhe und nehmen den Leuten den knappen Wohnraum weg.“

Duisburg leistete erheblichen Widerstand

Besonders Duisburg, zeigt sich, leistete erheblichen Widerstand; das wird allein durch die zähe Namensfindung deutlich: Sage und schreibe zwölf Jahre diskutierte man, bis die Gesamthochschule Duisburg erst 1994 den Zusatz „Gerhard Mercator“ bekam. Jener Name, das nur am Rande, der 2003 mit der Fusion der Hochschulen Duisburg und Essen ja wieder verschwand.

In jenem Jahr begrub man landesweit auch das Konzept der „Gesamthochschule“, das auch durch einen stärkeren Praxis-Bezug in naturwissenschaftlichen Fächern oder auch Studiengängen wie der Sozialarbeit jene zum Studieren bewegt hat, deren Eltern das noch nicht für möglich gehalten haben.