Essen. . Elf Prozent der Essener Schulen haben keinen Leiter und 21 Prozent keinen Stellvertreter. FDP sieht Bürokratie und geringe Zulage als Ursachen.

Elf Prozent der 154 Essener Schulen waren am Stichtag Mitte November 2015 ohne Leitung, ohne stellvertretende Leitung mussten sogar 21 Prozent der Schulen klarkommen. Das gab das NRW-Schulministerium auf parlamentarische Anfrage des Essener Landtagsabgeordneten Ralf Witzel (FDP) bekannt. Die Zahlen liegen zwar exakt im Ruhrgebietsschnitt, im Vergleich ist die Lage in Essen somit nicht besonders dramatisch. Dennoch ist es laut Witzel bitter, dass die Schulen gerade jetzt in einem Spagat zwischen immer höheren Anforderungen und einer strukturellen Führungslosigkeit zerrieben zu werden drohen.

„Hauptgrund ist die mangelnde Attraktivität der Stellen“, so Witzel. Besonders Grundschulen sind stark betroffen. Von den 72 Essener Grundschulen, die groß genug sind für die Position einer Leitungsvertretung, war diese in 27 Fällen nicht besetzt, was einer „Fehlquote“ von 37,5 Prozent entspricht. Auch die Leiterstellen sind oft nur schwer zu besetzen und waren in 13 Prozent der Fälle vakant. Und gerade jetzt kämen mit den Flüchtlingskindern neue Herausforderungen auf die Schulen zu.

Viel Arbeit, wenig Zulage

Witzel führt die Zurückhaltung der Lehrkräfte unter anderem auf die geringe Funktionszulage im niedrigen dreistelligen Euro-Bereich zurück. Die erforderliche Mehrarbeit werde damit nicht einmal ansatzweise angemessen vergütet. „Es gibt immer mehr Systemveränderungen und bürokratische Bestimmungen, die beachtet werden müssen.“ Viel Arbeit, geringer Entscheidungsspielraum und dann noch wenig Zulage – das sei keine Kombination, die Lehrkräfte dazu verleite, sich freudig mehr Verantwortung aufzubürden.

Wo Leiter in den Schulformen fehlten

Zum Stichtag 12. November hatten in Essen keinen Leiter: Elf von 84 Grundschulen, drei von 17 Gymnasien, eine von fünf Hauptschulen, eine von fünf Realschulen und eines von neun Berufskollegs. In allen acht Gesamtschulen, 16 Förderschulen und zwei Weiterbildungskollegs gab es Chefs.

Ein stellvertretender Leiter fehlte in 27 Grundschulen, zwei Berufskollegs und einer Hauptschule. Sonst war diese Stelle, die oft kommissarische Leitungsfunktion hat, besetzt.

Nicht wenige Schulleiter müssten sogar einen nicht geringen Teil ihrer Arbeitszeit mit klassischen Sekretariatsarbeiten zubringen, da es an Sekretärinnen fehle. „Da hat auch die Stadt eine Verantwortung“, meint Witzel, der einräumt, dass die finanzielle Ausstattung kurzfristig nicht zu ändern sei. „Umso wichtiger wäre es, wenn die Landesregierung nicht ständig durch Systemveränderungen und pädagogische Extravaganzen noch den bürokratischen Aufwand erhöht.“ Die Schulen benötigten mehr Ruhe und mehr Kontinuität.

Antwort der Landesregierung

„Der Landesregierung ist bewusst, dass jede einzelne nicht besetzte Leitungsstelle eine besondere Belastung darstellt“, heißt es in der Antwort auf die Anfrage Witzels. Das gelte für Schüler, Eltern und Lehrer gleichermaßen. „Aus diesem Grunde versuchen die für die Stellenbesetzungen zuständigen Bezirksregierungen, Vakanzen so schnell wie möglich zu schließen.“ Wegen der vielen zu beteiligenden Stellen - von der Gleichstellungsbeauftragten bis zur Schwerbehindertenvertretung - könne ein Besetzungsverfahren aber „in der Regel nicht in einem Zeitraum von drei Monaten abgeschlossen werden“. Auch Stellen, die eigentlich recht attraktiv wären, sind somit über viele Monate unbesetzt.