Essen/Bochum. Sexuelle Details, Gewaltfantasien – so sahen die Handykontakte zwischen zwei Studierenden aus. Dieser Hintergrund erschwerte es dem Gericht, eine Vergewaltigung festzustellen.
Schöne Menschen aus der Studentenszene, sexuell mit Gewaltfantasien aufgeheizte Handykontakte – und ein Gericht, das entscheiden musste, ob der Sex im Essener Hotel Sheraton eine Vergewaltigung war. Die VI. Strafkammer entschied sich am Mittwoch dagegen und sprach den 26 Jahre alten Angeklagten aus Bochum von diesem Vorwurf frei.
Seit der siebten Schulklasse kennen die beiden sich. Ein Pärchen waren sie nie, sagt der Angeklagte, und die 26-jährige Bochumerin bestätigt das. Als guten Ratgeber schätze sie ihn, mehr sei nie gewesen. Die angeklagte Tat liegt mehr als zwei Jahre zurück. Auf Initiative des Angeklagten mieteten sie für die Nacht zum 27. Oktober 2013 ein Zimmer im Sheraton. Warum? Der Angeklagte sagt, er sei von Sex ausgegangen. Die Bochumerin sprach dagegen von einem Fernsehabend im noblen Hotel: Videos, "Wetten, dass..?". Viel Glauben schenkten ihr die Juristen in diesem Punkt nicht.
Mit Seidenbändern ans Bett gefesselt und weitergemacht
Dann kam es zu sexuellen Handlungen in dem mit Rosen verzierten Zimmer. „Einvernehmlich“, betont er. „Ich wollte das nicht“, sagt sie. Geweint hätte sie. Einmal hätte sie das Zimmer verlassen wollen. Er hätte sie gestoppt. Beim Zuschlagen der Zimmertür sei sie an der Wange verletzt worden. Schließlich hätte er sie mit Seidenbändern ans Bett gefesselt und weitergemacht.
Ein einfacher Fall? Die Kammer vernimmt zwei Tage lang Zeugen und bekommt Protokolle der Smartphone-Chats von beiden Seiten vorgelegt. Sexuell aufgeheizt sind die Dialoge der beiden. Details werden besprochen zwischen zwei jungen Leuten, die nie intim miteinander waren. „Das würde man doch allenfalls der besten Freundin anvertrauen“, sagt Richterin Jutta Wendrich-Rosch einmal zu der 26-Jährigen.
„Fifty Shades of Grey“: Chats über Gewaltfantasien
Und dann ist noch zu hören, dass der SM-Roman „Fifty Shades of Grey“ das Interesse der Frau weckte. Ausdrücklich hatten beide über Gewaltfantasien gechattet. Wenige Wochen vor der Sheraton-Nacht war es zu Intimitäten in einem Kölner Wellnessparadies gekommen. Und: Nach Warnung durch eine Freundin hatte die 26-Jährige extra biedere Kleidung für die Nacht gewählt, um den Angeklagten nicht zu erregen.
Für Staatsanwalt Gabriel Wais, der sogar den „Sado-Maso-Großmeister Marquis de Sade“ zitierte, stand die Schuld des Angeklagten fest. Er hätte erkennen müssen, dass die Frau nicht wollte. Aber weil sie „die Geschichte mitprovoziert und ihn jahrelang hingehalten hatte“, sah er ein Jahr und neun Monate Haft mit Bewährung als ausreichend an. Rechtsanwalt Christoph Pindur forderte Freispruch.
Dem entsprach die Kammer „im Zweifel für den Angeklagten“. Es sei nicht festzustellen, dass er ihre Ablehnung erkannt haben muss. Richterin Wendrich-Rosch: „Sie hat geweint, aber das gehört bei Sado-Maso dazu.“ Verurteilt wurde er nur, weil er sie mit der Tür leicht verletzt hatte: 2700 Euro Geldstrafe, bestehend aus 90 Tagessätzen, die nicht als Vorstrafe gelten.