Essen. . Binnen vier Jahren haben 10.000 Abonnenten ihr Dauer-Ticket bei der Evag gekündigt. Dafür greifen viele zum Einzelfahrschein. Ein Grund ist der Preis.

Die zur Routine gewordenen alljährlichen Preissteigerungen bei Bahn und Bus verschrecken offenbar die Stammkunden. Die Essener Verkehrs-AG (Evag) hat in diesem Jahr zwischen Januar und Oktober schon 2.113 Jahresabonnenten, also rund zwei Prozent ihres Bestands, verloren. Derzeit zählt die Evag noch 103.500 Abo-Kunden. Vor vier Jahren waren es fast 10.000 mehr. Der Negativtrend setzt sich ungebremst fort – nicht nur in Essen, sondern im gesamten Verkehrsverbund.

Dabei hat es innerhalb des Tarifgefüges Verschiebungen gegeben. So kündigten Kunden das Ticket 2000 oder 1000, um das wesentlich günstigere monatliche SozialTicket zu beziehen. Wurden 2012 in Essen noch durchschnittlich 8.911 der verbilligten Fahrkarten pro Monat verkauft, so waren es in diesem Jahr schon durchschnittlich 15.629 pro Monat.

Einnahmen beim Einzelticketverkauf steigen

Ein Grund für den Rückgang der Jahresabos sind die Ticketpreise. Diese stiegen in den vergangenen zehn Jahren weit höher als die Kosten fürs Auto. Die Spirale dreht sich in wenigen Wochen wieder nach oben, wenn auch mit rund 2,9 Prozent nicht so hoch wie in den Vorjahren. Das Ticket 2000 kostet ab Januar im Abo 70,55 statt 67,90 Euro.

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In den 1990er Jahren war das Ticket 2000 mit 33 D-Mark so günstig, dass es sich Autofahrer „nebenbei“ leisten und sich die Wahl offen lassen konnten, mit dem Pkw oder mit Bahn und Bus zu fahren. Die Wahlfreiheit wollen Pendler im Prinzip auch heute, greifen aber nicht unbedingt zum Jahresticket, sondern zum Einzelfahrschein. Die Evag steigerte allein in den ersten zehn Monaten dieses Jahres ihre Einnahmen beim Einzelticketverkauf um mehr als 425.000 Euro auf über 7,18 Millionen Euro: ein Plus von 6,3 Prozent!

Zahlungsbereitschaft nimmt ab

Zwei Trends stellt man dabei fest: Zum einen ändert sich das Nutzerverhalten, zum zweitens nimmt die Zahlungsbereitschaft ab. Der Spagat für den zuständigen Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR) liegt darin, die kommunalen Zuschüsse für die Nahverkehrsunternehmen zu verringern, aber gleichzeitig nicht durch zu hohe Preiserhöhungen zu viele Kunden zu verlieren. Trotz der Preissteigerungen beobachtet die Evag derzeit eine Stagnation bei den Ticketeinnahmen. Im vorigen Jahr lagen sie bei rund 98 Millionen Euro.

Sprecher Olaf Frei spricht von einem Spannungsfeld, das aber die Politik und nicht die Evag lösen müsse. Nur soviel: „Man kann nicht ohne Ende an der Preisschraube drehen“, glaubt er. Um mehr Kunden zu gewinnen, plädiert Frei für neue Angebote: „Aus meiner Sicht sollte verstärkt an flexibleren Tickettarifen gearbeitet werden.“

Handy-Ticket-Markt boomt

Das wäre Sache des VRR. Die Evag konzentriert ihren Fokus auf die Marktentwicklung. Dass der Fahrgast seit September mit einer App Auskünfte bekommt und gleichzeitig ein Ticket kaufen kann, hält die Evag für zukunftsweisend. Der noch sehr junge Handy-Ticket-Markt boomt: In diesem Jahr wurden bis Oktober über das Handy in Essen schon 22.992 Fahrausweise verkauft.

Die Evag hat aber nicht nur jüngere Kunden, sondern auch die Senioren im Blick. Mit dem Pilotprojekt „Patenticket“, erhielten im September 30 Essener Senioren für zwei Monate ein kostenloses Ticket. Sie wurden dann von Bekannten oder Verwandten, die sich im Nahverkehrsnetz auskennen, als „Patenkinder“ begleitet und beraten. Ergebnis der Aktion: 40 Prozent der Teilnehmer wollen in Zukunft häufiger mit Bus und Bahn in Essen fahren.

Weitere Kampagnen werden vorbereitet. Angesichts von rund 230.000 Pendlern gebe es „Potenziale, die wir ausschöpfen wollen.“