Essen. Die Stadt hält Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit für unverzichtbar. Doch manche fühlen sich ausgebremst, weil ihnen geeignete Räume fehlen.

Es ist eine berührende Erfahrung: Wo immer die Stadt eine Flüchtlingsunterkunft einrichtet, stehen zahllose Ehrenamtliche bereit. Gerade bei den beengten Zeltdörfern sei ihre Arbeit unverzichtbar, „um dem Lagerkoller entgegen zu wirken“, hat der Leiter des städtischen Krisenstabes, Christian Kromberg, schon im Sommer betont. Doch mancherorts fühlen sich die Freiwilligen nun ausgebremst, weil ihnen Räume für Sprachkurs oder Kleiderkammer fehlen. Nun fordern die Grünen ein Kataster, das geeignete Immobilien erfasst.

Zehn Zeltdörfer verteilen sich über die Stadt

Im Sommer hat der Krisenstab der Stadt zunächst sieben Zeltdörfer mit zumeist 250 bis 400 Plätzen beschlossen. Es sind: Altenbergshof im Nordviertel; Planckstraße in Holsterhausen; Volkswald in Heidhausen; Bamlerstraße/Erbslöhstraße in Altenessen; Pläßweidenweg in Horst und Bonifaciusstraße in Schonnebeck. Außerdem das für fast 700 Bewohner ausgelegte Zeltdorf im früheren Mathias-Stinnes-Stadion in Karnap, das seit dem gestrigen Montag belegt wird.

Inzwischen stehen drei weitere Standorte fest, die im ersten Quartal 2016 an den Start gehen sollen: Burgstraße/Vaestestraße (Burgaltendorf), Hamburger Straße (Frohnhausen) sowie die Grünfläche an der Levinstraße in Gerschede. Auch diese Zeltdörfer sollen jeweils 400 Plätze haben.

In ihrem Antrag für die Ratssitzung am morgigen Mittwoch schlagen die Grünen für das Zeltdorf am Pläßweidenweg in Horst schon konkrete Lösungen vor: Dort gebe es gleich zwei Leerstände, die „für eine temporäre Nutzung für die soziale Betreuung von Flüchtlingen geeignet sind“, sagt die Grüne-Ratsfraktionschefin Hiltrud Schmutzler-Jäger. Das sei einmal die frühere Hausmeisterwohnung in Neuholland, die bis vor kurzem vom Steeler Archiv genutzt wurde. Noch lieber wäre der Grünen aber, wenn die Stadt die Alte Schule am Äbtissinsteig in Steele zur Verfügung stellte. „Wir hoffen, dass die Verwaltung die Ehrenamtlichen endlich ernst nimmt – denn ohne sie brächen die Unterkünfte zusammen. Die Stadt muss die Nutzung von Leerständen möglich machen.“

Zelte eine Zumutung für Flüchtlinge

Als Verhinderer will Sozialdezernent Peter Renzel nicht dastehen: „Ich weiß, wie wichtig die Arbeit der freiwilligen Helfer ist, und habe großes Verständnis für ihre Nöte.“ Er wisse auch, dass die derzeit als Kleiderkammer genutzte Marienkirche in Steele zu kalt und nicht wintertauglich sei. Er habe darum gegenüber dem Bistum bereits angestoßen, die Kirche zu beheizen. „Dann könnten wir die Kleiderausgabe dort erhalten.“

Aus Sicht der Ehrenamtlichen würde das nur ein Teilproblem lösen: Gerade in der kalten Jahreszeit sei es wichtig, auch Sprachkurse, Spielgruppen, Kleinkinder-Betreuung oder Nähkurse anzubieten. In den Klassenräumen der alten Schule am Äbtissinsteig sei das möglich, und eine Kleiderkammer habe dort zusätzlich Platz. „Es ist nicht zumutbar, dass sich Hunderte Flüchtlinge monatelang nur in den Zelten aufhalten können“, findet Hiltrud Schmutzler-Jäger.

Grüne wollen städtische Immobilien erfassen

Es ist ein Problem, das alle bald zehn Zeltdörfer trifft: Mensa- und Gemeinschafts-Zelte reichen gerade aus, so lange sich das Leben auch draußen abspielt. Am Altenbergshof im Nordviertel etwa stand man jüngst vor der Situation, dass etliche Freiwillige Deutschkurse geben wollten – aber Klassenräume fehlten. Jens Wientapper, der sich dort engagiert, klapperte auf eigene Faust Adressen in der Nähe ab – und überzeugte das Berufskolleg im Bildungspark, Klassenräume zur Verfügung zu stellen.

FlüchtlingeAm Altenbergshof könne auch die angrenzende Bernetalschule helfen, sagt Renzel. In anderen Stadtteilen stünden Gemeindehäuser bereit. Die Grünen hätten es gern systematischer, schlagen vor, „alle städtischen Immobilien zu erfassen, die sich im Umkreis von drei Kilometern von Flüchtlingseinrichtungen“ befinden. Ein zweites Kataster solle Gebäude anderer Träger – Kirchen, Kultur-, Jugend- und Sporteinrichtungen – auflisten. „Dort könnten die Runden Tische vielleicht Räume mitnutzen“, meint Schmutzler-Jäger. „Und die Flüchtlinge erfahren, welche Angebote es in der Nähe gibt.“