Esssen. . Das vor zehn Jahren eröffnete Seniorenstift in Bergeborbeck hat sich auf Menschen mit Demenz spezialisiert. Alfons Justen ist 92 und geistig noch ziemlich fit.

Was für ein Leben – so lang und so bewegt. In wenigen Tagen wird Alfons Justen seinen 93. Geburtstag feiern. Natürlich nicht allein, sondern beglückwünscht von seinen Söhnen und besonders von den Leuten im Seniorenstift Haus Berge. Ein lebensfroher Mann, den es von der Mosel an die Ruhr verschlagen hat. Der Fass- und Weinküfer gelernt hat, den Weltkrieg als Fallschirmjäger überlebte und nach der Gefangenschaft im Nachkriegs-Essen – lang ist’s her – den Weinkeller des Kruppschen Konsums auf Vordermann brachte.

„Unser Draufgänger“, neckt ihn Heimleiterin Marita Neumann augenzwinkernd, und fügt hinzu: „Er ist wirklich kein Kind von Traurigkeit und geistig noch ziemlich fit.“ Nur einige solcher Schmeicheleien reichen aus, um Alfons Justen ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern.

"Im Sommer bin ich fast immer draußen"

Nun, die Folgen, die der Schlaganfall hinterlassen hat, sind unübersehbar. „Meine linke Seite ist seitdem gelähmt“, sagt Justen, der seine kleine Bergeborbecker Welt deshalb im Rollstuhl durchmisst. Ein überschaubarer, beinahe dörflicher Kosmos, zu dem seine Wohngruppe „Glückauf“ und der kleine Garten gehören, vis-à-vis die Backsteinkirche St. Maria Rosenkranz und das Quartier drumherum, das jahrhundertelang von der Wasserburg beherrscht wurde. Bei so mancher Außenrunde legt er zwei Kilometer zurück. „Und im Sommer bin ich fast immer draußen.“

In Haus Berge, diesem Vorzeigehaus der Contilia-Gruppe, fühlt sich Justen wohl. „Es ist das Beste, das mir passieren konnte.“ Seit genau zehn Jahren besteht die auf Menschen mit Demenz spezialisierte Einrichtung. Und genauso lange kennen sich der „Ureinwohner“ und die Leiterin.

In Haus Berge haben sie sich auf Menschen mit schwerer Demenz spezialisiert. Ganz unten, in Justens „Glückauf“-Gruppe leben Menschen mit geringer, ganz oben in Etage vier („Hohe Tannen“) die mit schwerster Demenz. „Bei uns gibt’s keine Gurte und auch keine medikamentöse Fixierung“, betont Marita Neumann. Die Bewohner sollen so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben führen.

Japans Gesundheitsminister zu Gast

Das hat dem Seniorenstift einen guten Ruf eintragen, der sich längst weit über die Stadtgrenzen hinaus verbreitet hat. „Unser Einzugsgebiet reicht bis zum Niederrhein“, sagt Marita Neumann. Vor einem Jahr schaute sogar Japans Gesundheitsminister vorbei, um von den Pionieren des Bergeborbecker Demenzzentrums zu lernen.

Möglichst viele Sinne anregen und so den Gedächtnisverlust der Senioren abbremsen – das passiert in Haus Berge auf vielfältige Weise. Mal schaut Andreas mit seinem Akkordeon vorbei und bringt den Saal zum Tanzen. Dann fahren sie ins Rüttenscheider Schwimmzentrum oder spannen die hauseigenen Shetland-Ponys Max und Moritz vor die Kutsche. Ganz besonders vermögen die Mini-Shetties Lucky und Sputnik die Seelen der Bewohner zu berühren. Die vierbeinigen Therapeuten, kaum größer als ein Bernhardiner, kommen auch gerne bis ans Bett: mit weichen Nüstern, großen Augen und treuem Blick – eine Wonne.

Alfons Justen hat sich kürzlich am Limbecker Platz neu eingekleidet: mit Kapuzenpullover, T-Shirt und Jeans. „wandelndes Lexikon“ nennen sie ihn, dafür weist sein Kurzzeitgedächtnis Lücken auf. „Gleich geht’s zum Gedächtnistraining“, sagt er. Herr Justen, der längste Fluss der Welt?„Nil“, erwidert er wie aus der Pistole geschossen. Und rollt vergnügt davon.