Essen. . Vor genau 81 Jahren wurde das Ruhrkämpfer-Ehrenmal mit nationalistischem Brimborium eingeweiht. Eine neue Gedenktafel erklärt jetzt die historischen Hintergründe der martialisch wirkenden Anlage.
Der Hohlweg, der in das kleine Waldstück am Rande des Hörsterfelds führt, ist gerade mit dem schönen Gelb tausender Blätter ausgelegt. Wer über diesen Herbstteppich bergab läuft, steht nach wenigen Minuten auf einer Lichtung mit wunderschöner Aussicht. Unten fließt die Ruhr mit der ihr innewohnenden Ruhe entlang. In der Ferne, hinter den malerischen Auen des Flusses, grüßen die Dächer von Burgaltendorf. Mitten auf der Lichtung steht ein historischer Steinkreis. „Der Stonehenge von Essen“, wie das Denkmal nicht nur von den Horstern genannt wird.
Es ist das Ruhrkämpfer-Denkmal, das die Nationalsozialisten am 4. November 1934 mit einem Massenaufmarsch, Hakenkreuz-Fahnen und anderer Inszenierung einweihten. „So viel wie damals war nie wieder in Horst los“, sagt Stadtteil-Archivar Klaus Hermsen und zeigt historische schwarz-weiß Aufnahmen.
Damals, vor genau 81 Jahren und kurz nach der Machtübernahme, war die Einweihung des „Mahnrufs an jeden Menschen deutschen Blutes“ mit eigens angereisten Nazi-Größen, SA und SS das Thema in Essen. Heute ruht das Denkmal, an dem sieben Monate gebaut wurde, vergessen oberhalb der Ruhr. Eine nach Diskussionen gerade vom Steeler Archiv neu aufgestellte Tafel erklärt Spaziergängern wieder die Geschichte der lange Zeit anonymen Anlage.
Für die „gefallenen Helden“
Mit dem Ruhrkämpfer-Ehrenmal erinnerten die damaligen Machthaber an die Niederschlagung des Generalstreiks 1918 und an ihre Opfer im Ruhrkampf 1920. In der frühen Weimarer Republik wehrten sich in der „roten Ruhrarmee“ zusammengeschlossene Links-Parteien gegen den rechtsgerichteten Kapp-Putsch des Militärs. Von Reichswehr, Freikorps und Polizei wurde der bewaffnete Arbeiter-Aufstand niedergeschlagen. Die getöteten Soldaten und Polizisten sollten gewürdigt werden. In der Mitte der kreisförmig angeordneten, drei Meter hohen Säulen standen dazu Bronzetafeln mit den Namen der „gefallenen Helden unseres Ruhrkampfes“, schrieb 1934 stolz die National-Zeitung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Inschrift-Tafeln abgebaut. Sie liegen heute im Archiv-Keller des Haus der Essener Geschichte am Ernst-Schmidt-Platz. Um das Denkmal unterhalb der markanten Burg Horst kümmerte sich Jahrzehnte niemand mehr so recht – außer den städtischen Grünbetrieben, die die Wiese auf der Lichtung mit Ruhrblick mähten. Einmal im Jahr. Bis heute.
Erst 1984 entstand, ausgelöst durch einen Beitrag in der „Einkaufszeitung Steele“, eine politische Diskussion. Die DKP wollte das Denkmal auf städtischem Grund abreißen lassen. Die Bezirksvertretung benannte das Ehrenmal in „Mahnmal“ um und gab eine Informationstafel in Auftrag. Der Text wurde 1988 vom Rat verabschiedet. 1989 stand die Tafel endlich an ihrem Platz. Die markante Denkmal-Lichtung hatten indes damals längst Grillfreunde für ihr Hobby entdeckt. Auch heute finden sich hier immer wieder frische Kohle-Reste. Und Graffiti-Spuren an den historischen Steinen.
Historiker vom Ruhrmuseum beauftragt
Bis 2011 erklärte die Tafel den Spaziergängern die Geschichte des Denkmals mit der idyllischen Lage und der nationalsozialistischen Formensprache. Dann wurde sie demoliert und entwendet. 2013 stellte die Bezirksvertretung VII 850 Euro für eine neue Tafel bereit. Trotzdem vergingen weitere zwei Jahre, bis sie jetzt endlich aufgestellt wurde.
Warum? Es gab den ursprünglichen Erklärtext, der 1988 vom Rat verabschiedet worden war. Arnd Hepprich vom Steeler Archiv erweiterte und aktualisierte den Text zu einer zweiten Version. Die Stadt beauftragte zudem den Historiker Dr. Frank Kerner vom Ruhrmuseum, einen dritten Text zu erstellen.
Jetzt steht die neue Tafel. Mit historischem Foto. Und Text von Arnd Hepprich. „Es hat ja wahrlich lange genug gedauert“, sagt der.
Lektüre: „Ruhrkampf 1920 - Die vergessene Revolution“, Klartext, 240 Seiten, 14,95 Euro.