Essen. . Von 1981 bis 2004 lud die Stadt ehemalige Bürger jüdischen Glaubens zum Besuch ein. Die Interviews mit ihnen sollen jetzt digitalisiert werden.

23 Jahre lang führte ein Besucher-Programm ehemalige jüdische Bürger zurück in ihre Heimatstadt Essen. Das Programm wurde 2004 eingestellt, soll aber jetzt als digitales Denkmal konserviert werden: 400 Tonband-Interviews, die mit den Besuchern geführt wurden, werden in Dateien umgewandelt. „Es sind besondere Erinnerungen, die wir für die Ewigkeit erhalten möchten“, sagt Uri Kaufmann, Leiter der Alten Synagoge. Der Ideengeber des Projekts „Digitalisierung“ sucht Sponsoren.

Es war ein besonderes Programm, das nach langer Planung 1981 in Essen aufgelegt wurde: Ehemalige Bürger jüdischen Glaubens, die in den Zeiten des Nationalsozialismus ihre Heimatstadt verlassen mussten, sollten zu einem Besuch eingeladen werden. Die Adressen der in der ganzen Welt verstreuten Essener wurden aus Wiedergutmachungsakten zusammengestellt. 1981 kam die erste Gruppe nach Essen. Die Teilnehmer wurden samt Begleitpersonen auf Kosten der Stadt eingeladen. Eine Woche lang blieben sie in Essen, ein dichtes Programm vor Ort gehörte zum Besuch in der alten Heimat. Über Mund-zu-Mund-Propaganda wurde das Essener Programm weltweit in den jüdischen Gemeinden bekannt. Es stieß auf viel Zustimmung. Aber auch auf Ablehnung. Nicht alle gebürtigen Essener wollten nach Deutschland zurückkehren.

Nach der Premiere 1981 folgten bis 2004 23 Besuchergruppen. „373 Teilnehmer haben das Programm genutzt“, sagt Martina Strehlen, stellvertretende Leiterin „Sammlungen“ in der Alten Synagoge. In ihrer Liste finden sich Sterns, Kaufmanns, Rosenthals, Rombergs, Tellers, Zilles oder Ecksteins. Die kamen aus Brasilien, den USA, Israel, Argentinien oder Südafrika nach Essen. Manche Gäste waren nach der ersten Einladung noch mal privat zu Besuch. 2004 war die letzte siebenköpfige Gruppe zu Gast in Essen. Danach wurde das Programm eingestellt: Mögliche Teilnehmer waren verstorben oder so alt, dass sie die aufwendigen Reisen nach Deutschland nicht mehr auf sich nehmen konnten. Was bleibt sind Fotos der Besuche, die in der Alten Synagoge archiviert sind. Außerdem hatten die Besucher immer wieder Texte, Dokumente oder Erinnerungsstücke mit in ihre Heimatstadt gebracht. Außerdem wurden über die Jahre 400 lebensgeschichtliche Zeitzeugen-Interviews geführt. Über die 20er- und 30er-Jahre in Essen, über den aufkommenden Nationalsozialismus, die Vorkriegszeit, den Krieg und die Nachkriegszeit. Es sind Beobachtungen aus dem Alltag und viele Erlebnisse und Erfahrungen. Mancher Rückkehrer erinnerte sich gleich in mehreren, teilweise sehr persönlichen Interviews an die Zeit in der Stadt, die damals noch die seine war. „Die Erzählungen sind oftmals sehr spannend“, sagt Martina Strehlen. „Es ist gelebte Essener Geschichte, die wir gerne erhalten möchten“, sagt Uri Kaufmann.

Einen kleinen Teil der Interviews haben Studenten in einem Projekt transkribiert. Der größte Teil liegt auf Tonband vor. Und die Qualität wird mit der Zeit schlechter. „Deshalb jetzt die Idee und unser Vorstoß“, sagt Uri Kaufmann. „Wir hoffen, dass wir Unterstützer finden“, sagt der Leiter der Alten Synagoge.