Essen. . Eine aktuelle Statistik zeigt: Nicht immer passen die Berufswünsche der Jugendlichen und die Erwartungen der Arbeitgeber zusammen.
216 Ausbildungsstellen – so viele blieben bis Ende September in Essen unbesetzt. Das zeigen aktuelle Daten der Agentur für Arbeit. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das ein Plus von 65 Ausbildungsplätzen, für die die Betriebe keinen passenden Bewerber finden konnten.
Insgesamt gab es 2015 mehr angebotene Lehrstellen und weniger Bewerber: „Die Schere ist zwar kleiner geworden, aber wir können nicht von einer Entspannung sprechen“, erklärt Klaus Peters, Leiter der Arbeitsagentur. Am größten ist der Mangel bei den Kaufleuten im Büromanagement. Außerdem fehlen junge Leute, die sich zum Friseur ausbilden lassen wollen.
Abiturienten drängen an die Unis
Aktuelle Zahlen der Industrie- und Handelskammer (IHK) zeigen ein ähnliches Bild. Bis Ende September registrierte die IHK in Essen 2625 neu eingetragene Ausbildungsverhältnisse. Im Vorjahr waren das 15 mehr. „Mit einem Minus von 0,6 Prozent ist Essen noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen“, meint Hans Michaelsen, Geschäftsführer der Aus- und Weiterbildung bei der IHK. Einbrüche habe es vor allem in der Metall-, Elektro- und in der Baubranche gegeben. „Das ist sehr schmerzhaft“, so Michaelsen. Die Unternehmen fänden keine Leute, die geeignet und bereit dazu sind, diese Berufe zu lernen. Dieter Hillebrand vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) hat eine Erklärung: „Bestimmte Berufe sind heute nicht mehr sexy genug.“
Den 216 freien Ausbildungsplätzen standen Ende September noch 163 Bewerber gegenüber, die keine passende Lehrstelle gefunden haben. Das sind zehn mehr als 2014.
Das bedeutet: Angebot und Nachfrage, Erwartungen der Arbeitgeber und Berufswünsche der Jugendlichen passen offensichtlich nicht immer zusammen. „Was mir Kopfzerbrechen bereitet, ist die hohe Zahl der Abiturienten“, sagt Michaelsen von der IHK. Wer Abitur hat, meine oft, studieren zu müssen. „Obwohl es für denjenigen vielleicht gar nicht das Richtige ist.“ Das entziehe dem Ausbildungsmarkt die Bewerber. Außerdem würden diese Jugendlichen an der Uni häufig scheitern. „Weil sie am falschen Platz sind“, so Michaelsen. Oft locke die Aussicht auf eine höhere berufliche Position oder ein höheres Gehalt. „Aber durch berufliche Weiterqualifizierung können Absolventen einer Ausbildung heute annähernd so viel verdienen wie ein Bachelor.“
Die Eltern ins Boot holen
Lösen könnten das Problem die Eltern, meint Hillebrand vom DGB. „Junge Leute sind heute oft überreizt vom Angebot.“ Die Eltern müssten ihnen bei der Berufsorientierung helfen. „Wenn die Jugendlichen Begleitung erfahren, sind sie erfolgreicher,“ glaubt Hillebrand.
Neben den Eltern sieht die Arbeitsagentur einen weiteren Lösungsansatz: die assistierte Ausbildung. Das eben erst gestartete Projekt (Text unten) soll Auszubildende und Betriebe unterstützen. Jugendliche ohne Ausbildungsplatz auf der einen Seite, offene Stellen auf der andere Seite sowie die steigende Zahl an Abiturienten – trotz der aktuellen Probleme am Ausbildungsmarkt ist Peters optimistisch: „Die Essener Jugendlichen, die aktuell noch keinen Ausbildungsplatz haben, sind nicht klassischerweise ohne Schulabschluss. Das sind zum Teil Abiturienten, die sich zu spät entschieden haben.“ Peters und seine Mitarbeiter versuchen nun, die jungen Leute doch noch unterzubringen. Und auch wenn viele Jugendliche heute als orientierungslos gelten würden: „Der Großteil kommt mit klaren Vorstellungen zu uns und ist auf einem guten Weg.“
Statistiken zum Essener Ausbildungsmarkt
Die Top 3-Lehrberufe der Frauen: Medizinische Fachangestellte, Kauffrau im Büromanagement, Verkäuferin.
Die Top 3-Lehrberufe der Männer: Kaufmann im Einzelhandel, Kaufmann im Büromanagement, Kfz-Mechatroniker.
Gemeldete Berufsausbildungsstellen 2014/15: 3678, 2013/14: 3612
Gemeldete Bewerber 2014/15: 3846, 2013/14: 3958
Unversorgte Bewerber 2014/15: 163, 2013/14: 153