Essen-Werden. .
Die Verhandlung hat kaum zehn Minuten gedauert. Astrit P. verlässt zusammen mit seiner Frau, seiner Tochter und seinem Anwalt das Gericht. Er steht vor dem Gebäude. Es hat geregnet, seinen Schirm hat er auf der Hinfahrt in der Bahn liegen gelassen - und der Richter hat seinen Asylantrag nicht bewilligt.
Astrit P. ist mit seiner Familie seit März in Deutschland. Sie sind aus dem Kosovo geflohen und leben in Werden. Einen Monat vor der Verhandlung über seinen abgelehnten Asylantrag steht P. vor dem Flüchtlingsheim im Löwental. Er kramt in seiner Tasche und sucht den Artikel über sich und seine Familie, der Ende Juli erschienen ist. Als er kurz vorher beim Arzt war, hat ihm eine Sprechstundenhilfe den Artikel zugesteckt, weil sie ihn erkannt hatte. Er strahlt, als er den Text endlich in den Händen hält.
Dann erzählt er, was seitdem alles passiert ist. Ein Unternehmen habe sich bei ihm gemeldet. A. Sutter Dialog Services GmbH, ein Essener Call-Center. Über die Caritas hat der Personalleiter Kontakt zu ihm aufgenommen. Erst haben sie miteinander telefoniert, dann sollte P. persönlich ins Unternehmen kommen - für ein Bewerbungsgespräch.
Nur einen Tag später kam dann das Ausbildungsangebot: Fachkaufmann für Dialogmarketing, eine Ausbildung, die drei Jahre dauert.
Die Geschäftsführung hatte aus der Zeitung von Astrit P. und seiner Familie erfahren. Den Platz hat das Unternehmen dann spontan zu den vorhandenen Plätzen angeboten. Denn Astrit P. möchte arbeiten. Er möchte eigenes Geld verdienen und selbst für seine Familie sorgen.
Seine Tochter ist vier Monate alt, sein Sohn geht in die zweite Klasse und spielt mittlerweile Fußball im Verein - P. hat sich darum gekümmert. Er möchte, dass sein Sohn schnell die deutsche Sprache lernt und viel mit Gleichaltrigen spielt. Er selbst spricht fließend Deutsch, hat auch einen Hauptschulabschluss, da er während des Kosovo-Kriegs bereits fünf Jahre in Deutschland gelebt hat. Seine Frau übt täglich mit ehrenamtlichen Helfern.
Seiner Frau geht es etwas besser, sie leidet aber nach wie vor unter Panikattacken und ist in ärztlicher Behandlung - im Kosovo sei sie komplett falsch behandelt worden, erzählt P.. Der Arzt in Deutschland habe nur mit dem Kopf geschüttelt, als er erfuhr, welche Medikamente ihr dort verabreicht wurden.
Vor zwei Monaten hat Astrit P. das Ausbildungsangebot bekommen. Beginnen kann er aber noch nicht. Er hat zur Zeit nur eine Duldung. Dabei handelt es sich um keinen richtigen Aufenthaltstitel, nur um die Aussetzung der Abschiebung. Eine Arbeitserlaubnis hat er auch nicht. Diese braucht er aber, um die Ausbildung zu beginnen.
Direkt nachdem er das Ausbildungsangebot bekam, hat er daher die Unterlagen bei der Ausländerbehörde eingereicht. Die leitet dann alles weiter an die Arbeitsagentur, denn dort wird über seine Arbeitserlaubnis entschieden. Zwei Mal hat er die entsprechenden Unterlagen nun schon eingereicht - bisher konnte die Arbeitsagentur den Antrag aber noch nicht bearbeiten.
Astrit P. hat selbst recherchiert - die Ergebnisse sind nur die Theorie
Astrit P. kramt wieder in seiner Tasche. Er sitzt im Büro seines Anwalts. Thorsten Dercar hat sich auf Straf- und Ausländerrecht spezialisiert, seit einigen Monaten ist P. sein Mandant. Dercar war auch bei der Verhandlung über den abgelehnten Asylantrag dabei. Astrit P. hat selber recherchiert und zeigt die Ergebnisse seinem Rechtsanwalt.
Dercar schaut sich die Unterlagen an: Sie besagen, dass die Arbeitserlaubnis automatisch erteilt sei, wenn sich die Arbeitsagentur nach zwei Wochen nicht gemeldet habe. Der Jurist: „Ja, das ist natürlich die theoretische Seite, wie es praktisch gemacht wird, haben sie ja bereits erlebt“, erklärt er ihm. Denn laut Aussagen der Arbeitsagentur sei der Antrag ja noch gar nicht angekommen, nicht bearbeitet - die besagten zwei Wochen hätten demnach noch nicht begonnen. Dercar will der Ausländerbehörde aber keine Vorwürfe machen. Die Behörde sei überlastet; teilweise würden die Menschen ab 5 Uhr morgens dort warten. „Für uns sieht es nun so aus, dass wir der Ausländerbehörde deutlich machen müssen, dass Sie - und das ist für mich so - einen Sonderfall darstellen und dass Sie es bei allen Anstrengungen, die Sie bisher unternommen haben, verdient haben, dass die Ausländerbehörde ihnen entgegen kommt.“
Nach dem Termin bei seinem Anwalt ist P. hoffnungsvoll. Lange kann das Unternehmen, das ihm den Platz anbietet, nicht mehr warten - im August hätte er schon mit der Berufsschule angefangen müssen, und den Unterrichtsstoff für die Prüfungen müsse er nachholen.
Nachdem ihm der Richter deutlich gemacht hat, dass er seinem Asylantrag nicht zustimmen könne, weil er und seine Familie aus dem Kosovo kommen, hofft Astrit P. auf Hilfe der Ausländerbehörde und der Arbeitsagentur.
Auf der Rückfahrt vom Gericht ins Wohnheim im Löwental sitzt P. neben seiner Frau in der Bahn, seine Tochter hockt auf seinem Schoss. Jetzt muss es schnell gehen, damit seine Familie nicht abgeschoben wird. „Eigentlich müsste ich jetzt auch schon meine Ausbildung anfangen - eigentlich“,sagt P. dann, während er aus dem Fenster schaut.